DEBAKEL DER »PARALLELEN«-BEWEISFÜHRUNG. BANALISIERUNG DURCH SCHILLEMEIT
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Ohne
Berücksichtigung der literarischen Entwicklung läßt sich außerdem
jede Parallele zu beliebigen Spekulationen einsetzen; für die
Datierungsfrage war dies besonders an den drei Parallelen zur 15.
Nachtwache zu sehen <S. 80f. im gedruckten Buch>. Die
Manipulierbarkeit erfolgt unmittelbar aus dem Sachverhalt, daß die
Parallele auf dem niedrigsten, buchstäblichen Sinn-Niveau am
stärksten zu überzeugen vermag, also im Zusteuern auf den
allerengsten Bedeutungshof, wobei denn die schöpferische,
intellektuelle Ausarbeitung solcher Kernzonen in der Regel gar nicht
mehr in Betracht kommt (so wenig, daß etwa die für Schillemeit so
wichtigen Anfangsparallelen zum »Chor in der Tragödie«
eklatante Sinnabweichungen enthalten). Selbst da, wo die Intention
nicht entstellt oder gebrochen erschien, war durchweg Erfrischenderes
bei Klingemann herauszufinden, der sowohl gegenüber dem eigenen Werk
(etwa beim Motiv des Sonnenadlers oder bei der Figur des Hanswurstes)
als auch gegenüber dem Werk anderer (Hogarth, Jean Paul, Fichte,
Schiller) weit
respektloser, variationsfreudiger und auch beharrlicher verfahren
ist, als es in dem Gestus der Zitatparallele behauptet wird.
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an
Weitsicht und auch Courage bei den Herausgebern einiger unserer
Fachzeitschriften, denen ich es Anfang 1974 mit Erläuterung der
Entdeckungsgeschichte angeboten hatte. Die vor allem von den
Herausgebern des Euphorion
(A.
Henkel) und der Poetica(K.
Maurer) geäußerte Furcht vor Prioritätsstreitigkeiten war um so
weniger begründet, als schon damals nur von »sich
überschneidenden«, also voneinander unabhängigen Entdeckungen bei
mir wie auch in der Rezension von Schillemeits Buch durch Richard
Brinkmann die
Rede war. Wie ich jenen Herausgebern noch erklärte, ging es mir
bei der Veröffentlichung um die unterschiedlichen Verfahren der
Identifizierung und die daraus sich ergebende unterschiedliche
Einschätzung des Autors Klingemann. Hat man die Bedeutung dieser
Überschneidung, die für mich persönlich zwar betrüblich, in der
Sache aber unschätzbar war, denn wirklich nicht begreifen können?
Postskript
2014) Die
äußere zeitliche »Priorität« jedenfalls, um dies noch klipp und
klar zu sagen, kommt selbstverständlich der Erstveröffentlichung
der Klingemann-These zu, also Jost Schillemeit.
So
konnte ich das »Rohmanuskript«
1974
nur als Beilage zum Buchdruck meiner Fontane-Dissertation
veröffentlichen und es noch in der Zeitschrift
für deutsche Philologie
anzeigen
lassen. Was freilich den in Sachen »Bonaventura«
gern als Pontifex maximus auftretenden und voreingenommen nur einen
Autor von Rang als Verfasser akzeptierenden Wolfgang
Paulsen nicht
davon abhielt, noch 1984, ein Jahr vor Erscheinen meines
Klingemann-Buches wie folgt zu argumentieren: »Der Zufall wollte es,
daß zur selben Zeit <wie Schillemeit> und unabhängig
voneinander auch Horst Fleig auf diesen Klingemann als potentiellen
Autor gestoßen ist. Seine kleine Schrift <jenes Rohmanuskript>
ist schwer zugänglich, aber da die Kandidatur Klingemanns
mittlerweile eliminiert worden ist, ist
der Verlust wohl nicht allzu groß.«
(So im Nachwort zu seiner Reclam-Ausgabe
der Nachtwachen,
Stuttgart 1984, S. 169.)
1987
wurde die Klingemann-These auch dokumentarisch durch den Amsterdamer
Archivfund
von Ruth Haag
bestätigt,
wonach Klingemann die Nachtwachen
eigenhändig
in sein Werkverzeichnis aufnahm. Ihr Fund dürfte die ohnehin
nachrangige Prioritätsfrage entschärfen und den Blick wieder für
die relevantere Methodendiskussion freimachen. Nicht nur geht es
hierbei um die unterschiedliche Tauglichkeit philologischer
Beweisführung bei der »Identifizierung« eines Autors, sondern auch
– und vor allem mir – um lebens- und geistesgeschichtliche
Tiefendimensionen der Individualität (das Leitthema meiner
Kindheitserinnerungen).
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