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LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹

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eigene literarische Irrwege seiner Hauptfiguren verständlich. Zu Beginn der 5. Nachtwache wird der Leser mit der folgenden Gepflogenheit Kreuzgangs bekannt gemacht:

»Die vorige Nachtwache währte lange, die Folge war, wie bey Jenem, Schlaflosigkeit, und ich mußte den hellen prosaischen Tag, den ich sonst meiner Gewohnheit gemäß, wie die Spanier, zur Nacht mache, durchwachen« (und die in Spanien spie­lende mörderische Bruderzwist-Novelle zu Papier bringen).


Man höre nur, wie Klingemann selber die Nacht zum Lebensraum dessen erklärt, der schreibend gegen das bürgerliche Tagesle­ben anhält, zu einer Gegenexistenz noch mitten im prosaischen Leben selbst: 

»Es ist ein heisser Tag, und ein spanischer Himmel scheint alles zu versengen ... ich habe oft die eigene Laune, die Fenster­laden zuzuschließen, Licht anzuzünden und durch eine künstliche Nacht den hellen prosaischen Tag zu verdrängen. Ich möchte auch behaupten, ein Dichter könne am Abende und in der Nacht weit reicher darstellen, als am hellen Tage, wo die Phantasie mehr nach aussen gerichtet wird, da sie dagegen in der Nacht und Dämmerung in sich zurückgeht und ihre wunderbaren Tiefen sich eröfnen.«

 

Der so schreibt, ist nicht etwa einer der Romanhelden Klingemanns, sondern Klingemann als anonymer Verfasser von »Ge­mählden der Braunschweiger Sommermesse 1802«.23) Ob dieses Plädoyer zugunsten der nächtlich-poetischen Arbeit buch­stäblich zu nehmen ist, muß dahingestellt bleiben; jedenfalls scheint Klingemann hier von einer tiefen Neigung zu bekennen.

   Wenn er dann 1803 Achim v. Arnim die anonym veröffentlichte »Erste Nachtwache« gleichsam aus der Hand nimmt und fort­setzt, dann nicht als Kopist oder Nachahmer, sondern in der Inspiration, mit dieser elementaren »nächtlichen« Neigung auch formtech­nisch zum Durchbruch zu kommen.

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23  Auf diesen Messebummel in Form von sechs »Ausflügen«, am 23. und 25.9.1802 in der »Eleganten« ohne Namensangabe und nur mit zwei Asterisken erschienen, hat schon Klingemanns Biograph Hugo Burath (1948) aufmerksam gemacht: »ein Unbekannter (wahrscheinlich Klingemann)« habe dort eine dann 1816 von Klingemann eingeführte Schauspielerschule gefordert.« H. Burath, August Klingemann und die Deutsche Romantik (Braunschweig 1948), S. 12 und 233. Den genaueren Nachweis der Autorschaft, der auf negativer »Identitätsstufe« durch das an anderer Stelle vorgestellte Exklusionsverfahren zu erbringen wäre und affirmativ über die Schreibvorlieben und Stileigenheiten Klingemanns, kann ich mir hier ersparen; man könnte ihn aufgrund der vorliegenden Materialien unschwer nachvollziehen. Im Übrigen ist Klingemann in dem Tagebuch seiner Theaterreisen 1819 noch einmal unter eigenem Namen auf diese nächtliche Arbeitsweise zurückgekommen:

»Auch Schillers Haus ... suchte ich an der Esplanade auf, und schaute hinauf zu den beiden Fenstern am Dache, hinter welchen der Dichter oft am Tage, bei verschlossenen Laden und angezündeten Lichtern seine Werke dictirte. Schiller ge­hörte zu den Nachtigallsängern, welche am Abende erst recht wach werden, und deren Begeisterung mit der heraufzie­henden Nacht und unter dem gestirnten Himmel am erhabensten ausströmt. So schuf er selbst oft eine künstliche Nacht um sich her, seine Phantasie zum eigenen Schaffen höher anzufeuern.«

Klingemann, Kunst und Natur. Blätter aus meinem Reisetagebuche (3 Bde., Braunschweig 1819, 1821 u. 1828); 1. Bd., S. 32ff.

 

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