Seit 1892 befindet sich das oben abgebildete Dokument im Besitz der Universitätsbibliothek Amsterdam (Manuskriptsammlung Died 75 Fk 1-10) und wurde erst 1987 von Ruth Haag kritisch gesichtet und veröffentlicht:
Es ist ein siebenseitiges Verzeichnis der Werke Klingemanns von fremder Hand (rechte Bogenseite) mit eigenhändigen Korrekturen und Ergänzungen Klingemanns aus dem Jahre 1830 (linke Bogenseite). Bei den Ergänzungen führt er hier auch drei seiner pseudonym veröffentlichten Werke an, nämlich ›Albano der Lautenspieler‹, ›Die Lazzaroni‹ sowie ›Nachtwachen von Bonaventura‹.
Die Bibliothekarin Dr. Ruth Haag hatte sich damals nicht mit den ›Nachtwachen‹ oder der Frage nach der Identität »Bonaventuras« befasst, sondern war bei der Auswertung des literarischen Nachlasses von Pieter Arnold Diederichs (1804-1874), einem Amsterdamer Buchhändler und Publizisten, auf dieses Werkverzeichnis Klingemanns gestoßen. Welch bemerkenswert schöner theatralischer Abschluss in Sachen »Bonaventura« – Dea ex machina!
Postskriptum November 2018
Dass diese bibliographischen Ergänzungen offenbar nie im Druck erschienen und Klingemann die Sache nicht weiter verfolgte, dürfte sich durch sein turbulentes Lebensende erklären. Von dem inkompetenten Braunschweiger Herzog Carl II. im September 1829 als Hoftheaterdirektor entlassen, erhielt er nach der Septemberrevolte 1830 und der Flucht des Herzogs sogleich sein Amt zurück, erlag aber schon am 25. Januar 1831 mit 53 Jahren einer Lungenembolie. Wenig später wurde Carl II. vom Deutschen Bund wegen »einer in Ausübung der Regierungsgewalt bewiesenen Bösartigkeit« für nicht regierungsfähig erklärt und attestierte ihm sogar sein langjähriger Fürsprecher Metternich den Zustand der »Geisteszerrüttung« (so Heinz Häfner in: ›Ein König wird beseitigt. Ludwig II. von Bayern ‹München 2011, S. 207).
Ruth Haags glücklicher Fund bestätigt darüber hinaus meine Vermutung (in ›Literarischer Vampirismus‹, a.a.O. S. 155-163), dass Klingemann in der zermürbenden Theaterfehde mit dem psychopathischen Herzog in den kritischen Jahren zwischen 1828 und 1830 Spuren legte, die auf ihn als Verfasser der ›Nachtwachen von Bonaventura‹ hinweisen sollten. Dafür knüpfte er vor allem an die im Braunschweig-Wolfenbütteler ›Mitternachtblatt‹ Ende 1827 aufgekommene Diskussion um Schelling-»Bonaventuras« Gedicht ›Die letzten Worte des Pfarrers zu Drottning auf Seeland‹ (1802) an:
Im Juli und Oktober 1829 ließ er in dieses Blatt Szenen aus seinem erst 1830 gedruckten Drama ›Bianca di Sepolcro‹ einrücken, die ostentativ auf jenes Schellingsche Nachtstück und seine eigene Darstellung in der 10. Nachtwache zurückdeuten. Und zwar behandelt dieses Trauerspiel die Fehde des Malerkünstlers und ausgebildeten Schwertfegers »Heliodor« mit seinem gräflichen Mäzen und angehenden Todfeind Grimaldi und schließt, wie einst bei Schelling und in der 10. Nachtwache, mit dem schwarzromantischen Motiv der Braut im Grabe. Diese, Heliodors geliebte Halbschwester Leonora (»Bianca« oder »Die weiße Rose«), wird für ihre Flucht vor der drohenden Klosterexistenz von ihrer als Vampir verlarvten
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