LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹
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zum erstenmal publik machte.1) Eine Überschneidung wie diese hätte Klingemanns Autorschaft eigentlich ein für allemal sicherstellen müssen. Nun brachte zwar Richard Brinkmann am Ende seiner Kurzbesprechung von Schillemeits Buch (in »Germanistik«)2) eine Notiz von jener ihm bekannten, unabhängig erfolgten Bestimmung Klingemanns, auch habe ich das besagte Rohmanuskript in der Gestalt, in der es zu diesem 1. Oktober nachweislich (beglaubigt) vorlag, als Sonderdruck veröffentlicht (1974)3), die mit der Verfasserfrage Beschäftigten aber – was nun freilich kaum noch wundernehmen kann – haben es gar nicht mehr zur Kenntnis genommen. Das folgende Durcheinander zumindest hätte sich gewiß vermeiden lassen. Denn während Schillemeit sich methodisch nur unwesentlich von seinen verunglückten Vorgängern, von denen ein jeder seine willkürlich ermittelten »Parallelstellen« angehäuft hatte, unterschied und bald selber deren Schicksal teilte, hatte jenes Rohmanuskript den Grundfehler solcher Parallelen-Suche zum Thema und dagegen ein Exklusionsverfahren entwickelt, das grundsätzlich bei jedem unbekannten und zu identifizierenden Verfasser einsatzfähig wäre:
Statt wie bis dahin üblich von einem Schriftsteller auszugehen, den man entweder schon vage in Verdacht gehabt oder an einem vermeintlich naheliegenden Berührungspunkt wie dem Ort von Verlag oder Vorabdruck der »Nachtwachen« aufgelesen hatte, um sodann in einem zweiten Schritt von diesem derart subjektiv und eng ermittelten Literaten her eine Brücke aus allen möglichen stofflichen, stilistischen und verbalen »Parallelen« zu dem Erzählwerk der »Nachtwachen« zu schlagen, dies ohne kritische Destruktion der Vorgänger-Thesen (und selber dabei keiner Kritik zugänglich), schien mir – im Frühjahr 1973 – die Umkehrung schon im Ansatz nötig und ein Verfahren geboten zu sein, das alle Autoren der Zeit mit in die Recherchen einbeziehen und sie zugleich, nach einer Textprobe von wenigen Seiten, aufgrund sprachlicher Trennmerkmale ausscheiden konnte – bis auf den einen nicht zu Widerlegenden. Praktikabel war dieses
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1 Heft vom 1.10.1973. Wie ich später erfuhr, hatte der Beck Verlag in Heft 2/1973 seines halbjährlichen »Informationsdienstes« eine »wichtige Neuerscheinung« für den Sept. angekündigt: Jost Schillemeit. Bonaventura. Der Verfasser der ›Nachtwachen‹. Diese Anzeige enthielt auch sonst keinen Hinweis auf Klingemann.
2 Richard Brinkmann, Rezension zu Jost Schillemeit. Bonaventura. Der Verfasser der ›Nachtwachen‹. (München 1973). In: Germanistik 1974 (Heft 1), S. 141f.
Postskript 2017) Und zwar schrieb Brinkmann, seinerzeit Gastprofessor in Berkeley, Cal.:
»Übrigens hat im Frühjahr 1973 ein junger Forscher in Tübingen, ohne etwas von Sch<illemeit> ahnen zu können, dem Rezensenten die Entdeckung Klingemanns als der Verfassers der Nachtwachen mitgeteilt und ihm eine Fülle von Material zum Beweis vorgelegt. Er sollte doch hier auch genannt werden. Sein Name ist Horst Fleig.«
3 Horst Fleig, Zersprungene Identität. Klingemann – Nachtwachen von Bonaventura (»Rohmanuskript«). Beilage zu: H.F., Sich versagendes Erzählen (Fontane). In: Göppinger Beiträge zur Germanistik Nr. 145 (Göppingen 1974).
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