Diese
Gegenvorschläge waren eigentlich nur als Ausdruck des Unbehagens an
dem proponierten Kandidaten ernst zu nehmen (und lassen sich
stichprobenartig über das erwähnte Exklusionsverfahren
zurückweisen). Im Herbst '75 jedoch unterzog der
Computerlinguist Dieter Wickmann,
der schon 1969 zu der Verfasserfrage Stellung bezogen hatte, die
Klingemann-Hypothese einer mathematisch-statistischen Überprüfung.
»Das Testergebnis ist hochsignifikant, und zwar in einem Ausmaß,
das alle bisher durchgeführten Bonaventura-Tests übertrifft:
Klingemann
ist demnach als Verfasser der ›Nachtwachen‹
zurückzuweisen.«13)
Damit war in Sachen Klingemann gleichsam ein Machtwort gesprochen;
vom 1. Heft des Jahrgangs 1976 an verweist das Referatenorgan
»Germanistik«
nicht mehr auf Klingemann als den Verfasser und »kann man sich
wieder bei dem Stichwort ›Nachtwachen
von Bonaventura‹
informieren«.14)
Die »Bonaventura«-Forschung scheint wieder vor dem Nichts
zu stehen: »Zahlreiche Theorien betreffs der Autorschaft haben
bisher noch zu keinem endgültigen Ergebnis geführt« (Rita Terras,
1979), »eine akzeptierte opinio communis hat sich ... bis heute
nicht gebildet« (Karl-Heinz Habersetzer, 1984).15)
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13
Rita
Terras, Juvenal
und die satirische Struktur der ›Nachtwachen‹
von
Bonaventura.
In: The
German Quaterly 1979,
S. 18-31 (S. 18). Karl-Heinz Habersetzer, Bonaventura
aus Prag und der Verfasser der ›Nachtwachen‹.
In: Euphorion
1983
(Heft 4), S. 470-482 (S. 472)
14
Rosemarie Hunter
Lougheed, a.a.O. (s. Fußnote 10 auf S. 5), S. 22
15
»Daß ›das
Rätsel der Sphinx‹ noch
immer nicht gelöst ist«, meint zuletzt auch Andreas Mielke, dessen
Dissertation »Zeitgenosse
Bonaventura« (Stuttgart
1984) mir noch während der Drucklegung meines Buches zuging. Sein
Verdienst besteht vor allem in der theoretischen Destruktion
des Beweisverfahrens der »Parallelensammlung« und in der darauf
folgenden, bislang massivsten Detailkritik der von Schillemeit
vorgelegten Parallelen (ich
komme auf
den Seiten 44-48 darauf
zurück). Einige
Blößen - gelinde gesagt - zeigt dagegen sein Versuch, Jean Paul die
Autorschaft zuzuschreiben. In seiner Abneigung wie gegen Fichte
so gegen seinen »Schüler« Schelling habe Jean Paul dessen
Pseudonym »Bonaventura« übernommen, um gezielt Schellings
»Schein-Heiligkeit« zu entlarven: Die ›Nachtwachen‹
seien wohl nichts weiter
als »didaktische Schwarzmalerei, um vor dem falschen Weg zu warnen«
(238), vor dem subjektiven Idealismus Fichtes und (!) Schellings
also. Demgemäß degradiert wird auch noch Kreuzgang, wird zur
Marionette, indem er jene Jean Paul so verhaßte »subjektive
Weltschau« angeblich repräsentiere und wider Willen ad absurdum
führe. –
Im übrigen sei die
philosophische Ich- Problematik der ›Nachtwachen‹
so nur bei Jean Paul,
nichts davon aber bei Klingemann zu finden (wir werden sehen).
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