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KREUZGANGS LIEBLINGSORTE: (BURG-)DOMPLATZ UND (MARTINI-)FRIEDHOF

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Quelle: Fritz Meyen, Bremer Beiträge am Collegium Carolinum in Braunschweig (Braunschweig 1962), bei S. 32

 

Zuvor aber schwelgte diese Nachtdichtung in peinlichen Bildern des Todes (»Unser magrer Boden ist durch verwesende Freunde, die darunter verscharrt liegen, feist gemacht ... Wir nähren uns, gleich andern Würmern, von den Todten«),161) in Bildern, deren apologetische Christlichkeit einem Nacht­wächter wie Kreuzgang nur noch dumm und schamlos vorkommen mußte:

»O Tod! laß mich dich an meinen Busen drücken, du bestes Geschenk des Himmels! du bester Freund des Menschen!« (7. »Nacht«), »gütiger Zuchtmeister« ( 3. »Nacht«) und »des Lebens Krone: Wäre der Tod versagt, so würde der arme Mensch umsonst leben ... Wir fallen; wir ste­hen auf; wir herrschen« (3. »Nacht»).

 

Welch Einfall, den einflußreichsten Propagandisten der christlichen Nacht dieser letzten, metaphysisch ausgerichteten Nachtwache voranzustellen, für die eigene Klage über den Tod als den Vernichter von Individualität und damit »Welt« sich auf das Terrain des religiösen Gegners zu begeben, welch maliziö­ser Witz, bei Eberts Grabe diesem in persona die Auferstehung mißglücken zu lassen!

   Die Selbstsicherheit, mit der Ebert/Young gegen Ende der sechsten »Nacht« ihren Beweis verspre­chen, einen »Beweis, der mächtiger, als der Tod, ist, und des Grabes spottet« (»stronger than Death, and smiling at theTomb«), nimmt Kreuzgang in seinem Grabestraum als eine von den Toten belächelte Prah­lerei:

»Der Poet ... bemerkte es nicht, daß sich um ihn her alle Gräber geöffnet hatten, und die Schlä­fer unten boshaft lächelten, doch ohne sich zu bewegen. Jezt stand er am Übergange und fing an die Posaunen zu blasen und viele Zurüstungen zum jüngsten Tage zu machten ... und un­ten in den Schlafkammern lagen sie noch alle still und lächelten, und niemand wollte erwachen ... er ... sezte eine starke Begleitung von Donner und Posaunenschall zu seiner Stimme um­sonst«.162)

 

Von der Posaune macht Young außer in der 2. »Nacht« auch in dem poetischen »Gesang« »Der jüng­ste Tag« traditionellen Gebrauch:

»Nun erwacht der Mensch, und hebt aus seinem stillen Bette, wo er Jahrhunderte durchgeschla­fen, sein Haupt empor ... Itzo rollt der Schall der Posaune von neuem durch den weiten Bezirk der Schöpfung ... Siehe! nun geben die Gräber ihre lange verwahrte Beylage ... zurück.«163)

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161  Dr. Eduard Young's Klagen, oder Nachtgedanken <...>, a.a.O., S. 17   162  16. Nachtwache, a.a.O., S. 186

163  Der jüngste Tag. Ein Gedicht in drey Gesängen (von Eduard Young). In: Übersetzungen einiger po­e­ti­schen und pro­sa­i­schen Werke der besten englischen Schriftsteller, 4 Bde., hg. v. J.A. Ebert (Braun­schweig u. Hildesheim 1756), 2. Ban­des 1. Stück , S. 27f.

 

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Johann Arnold Ebert (1723-95) um 1769

 

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