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LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS
NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 

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Bildquelle: ›Die Nachtwachen von Bonaventura‹ (München <o.J. = 1923>, bei S. 82)

 

mitbestimmt hat, scheint mir auch aus der Ambivalenz hervorzugehen, in der Kreuzgang das schützende Kreuz schlägt und bald darauf in den christlichen Priestern selbst das Böse entdeckt. Wie tief das Ressen­timent sitzt, bekundet zu Beginn der 8. Nachtwache Kreuzgangs merkwürdig schiefer Vergleich, wenn er den ins Verderben getriebenen Poeten in einem Atemzug mit den christianisierten Sachsen nennt:

       »Der Stadtpoet auf seinem Dachkämmerchen gehörte auch zu den Idealisten, die man mit Gewalt durch

       Hunger, Gläubiger, Gerichtsfrohne usw. zu Realisten bekehrt hatte, wie Karl der Große die

       Heiden mit dem Schwerdte in den Fluß trieb, damit sie dort zu Christen getauft würden.«139)

 

Die christliche Taufe als ein derart brutales, den Idealismus brechendes Unternehmen hinzustellen, deutet nun doch auf das Herzogtum Sachsen und auf Braunschweig hin. Denn nach Ribbentrop ist dieser Fluß kein anderer als die Oker, Braunschweigs Fluß gewesen, wo hinter dem Braunschweigischen Grenzdorfe Kissenbrück (»Christenbrück«) »die durch Karl des Großen geharnischte Franken mit Gewalt veranlaßte Taufe unserer Vorfahren«, von denen viele »hier zusammen getrieben« worden wären, stattfand.140)

    Klingemann, der wiederholt auf diese Taufprozedur zurückkommt,141) hat auch in den eigenen Stücken Verge­waltigung und Nachleben des alten Glaubens behandelt. Peripher in den dämonischen Abkömmlingen des Harzgottes Krodo, dessen Burg Karl der Große zerstört hätte;142) und als zentraler Konflikt erscheint die Christianisierung in den 1817 gedruckten Trauerspielen »Das Kreuz im Norden« und »Ferdinand Cortez, oder: die Eroberung von Mexiko«, während in »Moses« (1812) der Glauben des Pharao Sesostris vor dem erbarmungslosen Wundergott Jahwe zerbricht. Der Glaubensverlust wird immer als Katastrophe von kosmischen Ausmaßen erfahren, in der blitzartig wieder die Argumente und Emotionen unseres Nachtwächters Kreuz­gang aus der Grabesnachtwache durchschlagen. Bis in gestische Andeutungen rekapituliert dies der Dialog

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139  Nachtwachen, a.a.O., S. 96  

140  Ribbentrop, a.a.O.(Fußnote 127), Anhang zu Bd. 2, S. 44; vgl. Braunschweigisches Magazin vom 9.6.1792 sowie Richard Andree, Braunschweiger Volkskunde (2. Aufl. Braunschweig 1901), S. 39f.

141 Etwa in Kunst und Natur, a.a.O. (Fuß­no­te 23), Bd. 2, S. 20  u. 449 und in der Zeitung für die ele­gan­te Welt vom 20.8.1808 (Nr. 140)    142  Vgl. Braunschweigisches Magazin vom 23.10.1790


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Abbildung nach einer Radierung von Bruno Gold­schmitt
(zur 8. Nachtwache)

 

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