KREUZGANGS LIEBLINGSORTE: (BURG-)DOMPLATZ UND (MARTINI-)FRIEDHOF
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Bildquelle: Mechthild Wiswe, ›Dom und Burgplatz in Braunschweig im Bild der Vergangenheit‹ (Braunschweig 1979), S. 15
Dom
und »Löwe« gehören auch in Geschichte und Sage eng zusammen. Den
Braunschweiger Schulkindern pflegte man schon vor 1800 (so
Ribbentrop) die Prankenhiebe zu zeigen, die der Löwe nach der
Beisetzung seines Herrn bei der Nordosttüre hinterlassen hätte.
Erbauen
ließ Heinrich den Dom zu Ehren des brunonischen Schutzpatrons
St. Blasius, dessen Horn
– angeblich
aus dem Heiligen Lande mitgebracht –
sich
langezeit als Reliquie im Innern befand (Ribbentrop bezeugt dies für
1789 und Klingemann für 1821)134);
Musäus' Einfall mit dem Nachtwächterhorn könnte sich durch
Verschiebung daher geleitet haben. Der Märtyrer Blasius von
Sebaste ist Patron der Halskranken; die Leidenden werden an
seinem Tage mit geweihten Kerzen ›eingeblaselt‹
oder
auch vom Priester angeblasen. »Die volksetymologische Verbindung von
›Blasius‹
und
›blasen‹ hat manche Beziehungen des Heiligen zum Winde
hergestellt und gefördert«.135)
So
ist er auch Patron derer, die wie Kreuzgang ein Blasinstrument
gebrauchen.
Neben
Blasius tritt noch Johannes der Täufer als Stiftspatron des Doms auf
sowie als Kollegiatspatron der heilige Cyriacus. Letzterer, der
gegen Besessenheit und »Anfechtungen der bösen Geister ... in der
Stunde des Todes und allgemein« aufgerufen wird, erscheint in der
Ikonographie mit dem Teufel oder dem Drachen zu Füßen und mit
anderen Attributen seiner exorzistischen Gewalt.136)
Damit
nicht genug. Der bekannte heftige Widerstand der Sachsen gegen die
Christianisierung zeigt sich auch in der Vorsichtsmaßregel, die
Westseite des Doms nicht zu der üblichen Prunkfassade auszubauen.
»Als Bollwerk gegen die Dämonen, die nach altsächsischer Ansicht
im Westen hausen, besaß das Westwerk ursprünglich keinen
Eingang und wehrte
dem Bösen wie eine steinerne Stirn den Zutritt ins Innere der
Kirche.«137)
Man erkennt
diesen Abwehrkampf gegen die zu Dämonen herabgewürdigten
sächsischen Gottheiten noch an Details im Inneren des Domes, wo im
Sockel des siebenarmigen, möglicherweise vom »Löwen«
gestifteten
Leuchters sich eine adlerköpfige Odinfigur in einer Bannspirale
befindet.138)
Daß dieses
zwielichtige Raumgefühl auch den Anfangsauftritt des
Nachtwächters, sein Hinaustreten in die Nacht
und
die Begegnung mit dem wie vom Winde herangetragenen Bösen
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134
Ribbentrop, a.a.O. (Fußnote 127), Bd. 1, S. 174 bzw. Klingemann,
Kunst
und Natur,
a.a.O. (Fußnote 23), Bd. 2, S. 445
135
Bächtold-Stäubli, a.a.O. (Fußnote 122) s v Blasius;
s. auch Döll (Fußnote 103 ), S. 54 136
Bächtold-Stäubli, a.a.O., s v Cyriacus 137
Zeidler, a.a.O. (Fußnote 128), S. 22 138
A. Quast, Der
Sankt-Blasius-Dom zu Braunschweig
(Braunschweig 1975), S. 49
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