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LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 

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Bildquellen, von oben: www.panoramio.com/photo/34408983   Für das Wappenpaar vgl. Fußnote Nr. 108

www.inschriften.net/braunschweig/inschrift/nr/di056-0432.html#content (erstellt von Sabine Wehking)

 

Das Haus Papenstieg 5 wurde 1910 abgerissen; den aufbewahrten Balken setzte man 1977 über der Toreinfahrt des an seiner Stelle errichteten Neubaues (das Geschäftshaus Nr. 5) wieder ein, außerdem ließ die dort untergebrachte Firma eine Klingemann-Gedenktafel anbringe, auf der auch das Geburtshaus mit dem Sonnenfries oder einem (Venus-)Muschelfries bzw. einer Fächerrosette zu sehen ist (siehe Sei­te 58). Der Fries war aber nicht das einzige architektonische Charakteristikum: 

»Über den Haustür prangte ein altes Wappenpaar mit einer holzgeschnitzten Inschrift, derzufolge ein Hildesheimer Bruno ... das Haus 1537 hatte errichten lassen.«107)

 

Im Braunschweigischen Magazin von 1903 findet man die Wappen abgebildet.108) Das eine Wappen (ein Flügelpaar) ist nicht auf Anhieb zu deuten, das andere zeigt aber eindeutig eine Zwiebel! Das Sym­bol der »Nachtwachen« also, das man immer auch für die demaskierende Tätigkeit Bonaventuras selber reklamiert hat! Für W. Paulsen etwa ist es das »eigentliche dichterische Anliegen«, das Bonaventura im Bilde von der Zwiebel derart eindringlich veranschaulichen konnte: »Die Masken sitzen eben auf der Welt wie die Hülsen einer Zwiebel - ein Bild, das Bonaventura selbst in der neunten Nachtwache benutzt und dann anderwärts, z.B. in der Ophelia-Episode, weiterentwickelt. Eine Zwiebel also schwebt ihm vor Augen und nicht etwa eine blaue Blume!«109): 

»Die Menschheit organisirt sich gerade nach Art einer Zwiebel, und schiebt immer eine Hülse in die andere bis zur kleinsten, worin der Mensch selbst denn ganz winzig stekt. So baut sie in den großen Himmelstempel an dessen Kuppel die Welten als wunderheilige Hieroglyphen schweben, kleinere Tempel mit kleinern Kuppeln und nachgeäfften Sternen, und in diese wieder noch kleinere Kapellen und Tabernakel, bis sie zulezt das Allerheiligste ganz en miniature wie in einen Ring ein­gefaßt hat ... In die allgemeine Weltreligion, die die Natur mit tausend Schriftzeichen geoffenbart hat, schachtelt sie wieder kleinere Volks- und Stammreligionen für Juden, Heiden, Türken und Christen; ja die leztern haben auch daran nicht genug, sondern schachteln sich noch von neuem ein. - Eben so ist es mit dem allgemeinen Irrhause, aus dessen Fenstern so viele Köpfe schauen, theils mit partiellem, theils mit totalem Wahnsinne; auch in dieses sind noch kleinere Tollhäuser für besondere Narren hineingebaut. In eins von diesen kleinern brachten sie mich jetzt aus dem gro­ßen, vermuthlich weil sie dieses für zu stark besezt hielten.«110)

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107 Hugo Burath, a.a.O. (Fußnote 84), S. 19   108  Siehe ebd. S. 32; in Nro. 3 (H. Meier/C. Kämpe, He­raldische Untersuchungen in der Architektur der Stadt Braunschweig s.S. 1-9, S. 25-32 sowie im Jg. 1914 S. 121-125.)

109  Wolfgang Paulsen, Bonaventuras 'Nachtwachen' im literarischen Raum. Sprache und Struktur. In: Schiller-Jahrbuch 1965, S.447-510 (Zitat S. 494); vgl. Paulsens Nachwort zu seiner Ausgabe Bonaven­tura/ (E.A.F. Klingemann)/ Nachtwachen (Stuttgart 1994), S. 180.

110  Nachtwachen, a.a.O., S, 109f.

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Oben: Links das Nachfolgehaus von Klingemanns Elternhaus Papenstieg 5 mit dem wieder ein­ge­setz­ten alten Torbalken; es liegt gegenüber der Rückseite des 1804 fertiggestellten Vie­weg­hau­ses, das am Platz des von Filippo Nicolini gegründeten ›Pantomimentheaters‹ erbaut wurde.

  Darunter: Der Torbalken mit der Inschrift »Bruno De T[.eteleu]e(n) Canonic(us)/ Ec­cle­sie Hil­den­se­mens(is) Me Fieri)/ Fecit A(nno) D(omini) MCCCCC37« (»Bruno von Tet­le­ben, Ka­n­oni­ker der Hil­des­hei­mer Kirche, hat mich machen lassen im Jahr des Herrn 1537«; so Sabine Wehking).

   Zu­un­terst: Das omi­nöse Wappenpaar über dem Hausportal.

 

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