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LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 
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Bildquelle: www.kunstkopie.de/a/dahling/johanngottliebfichteengra.html


Bei Fichte hat diese Einsicht nur Zwischenstufe für das abschließende Buch »Glaube« zu sein, heilsamer Schock, als dem Ich aufgeht, was mit der Auflösung der Außenwelt in Bewußtseinsbestimmungen auch ihm selber droht. Ophelia hat von dieser Gefahr, nicht mehr deutlich das »Ich« als sich festigendes und steuerndes Bewußtsein den immer befremdlicher wechselnden »Bildern« und Vorstellungen entgegen­stellen zu können, nicht erst (»popular«-)theoretisch erfahren, vielmehr schon von der prekären Identi­tät des Schauspielers her, laufend auch ein anderer zu sein. Im Rollen-Wahn, der von dieser Schauspielerin Besitz ergreift, bricht also eine gewisse professionelle Deformation der Persönlichkeit hervor, wobei nun freilich die besondere Rolle der wahnsinnigen Ophelia dies nicht bloß raffiniert veranschaulicht, sondern aus sich selbst heraus schon wie bei Shakespeare daraufhin angelegt ist, der eigenen Verwirrung nachzusinnen.

   Darin weiterzudenken, ist wahrlich schwindelerregend und macht es verständlicher, daß sich die Ophelia der 14. Nachtwache in einem Reflexionsprozeß zur Wehr setzt, der in dem Rigorismus, mit dem er ein allen Verwicklungen entzogenes »Ich« zu erretten sucht, ebenjener methodischen Selbst-Spaltung folgt, die so entschieden allererst das idealistische Reflexionsmodell herausgebildet hat: Der Reflektierende sucht hiernach zu vermitteln zwischen einem »empirischen«, beschränkten Ich (eigentümlich »ver­wirrt« bei Ophelia) und einem angeblich »reinen« Ich, das der Intention nach jenes individuierte in allen sei­nen Weltverhältnissen ermöglichen soll, aber als unbedingtes selber nie zu erfassen ist.48) Dies innere Versagen idealistischer Reflexion hat sich wohl deshalb immer wieder terminologisch zudecken und aushalten lassen, weil ja massiv die These von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen dahinter steht, die in der neuzeitlichen Reflexion so manchem Philosophen christlicher Provenienz die Kraft gab, sich zum Erfassen des Wahren vom weltlich Seienden weg- und der Verfassung des menschlichen Be­wußtseins zuzuwenden.49) In der 14. Nachtwache aber wird dies versteckteste theologische Residuum, das »reine« Ich oder die »absolute Tathandlung« Fichtes als das monströse Denkergebnis desjenigen erfahren, der zur Selbstsicherung alles Fremde systematisch von sich gehalten hat und zuletzt in Panik

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Paul, Sämtliche Werke. Hist.-krit. Ausg. (Weimar 1927ff.), Bd. 9 der 1. Abtlg., S. 463. Zu Bonaventuras Bezug auf Fichtes Bestimmung vgl. Walter Pfannkuche, Idealismus und Nihilismus in den 'Nacht­wachen' von Bonaventura (Frankf./Main u. Bern, 1983), S. 51-59.

48 Vgl. dazu Walter Schulz, Das Problem der absoluten Reflexion (Frankf./Main 1963).

49 Vgl. Karl Löwith, Gott, Mensch und Welt in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche (Göttin­gen 1967).

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Johann Gottlieb Fichte (1762-1814); Radierung von J.F. Jügel (1814) nach einem Porträt von H.A. Daehling (1808)
Klingemann besuchte 1798/99 auch Vorlesungen von Fichte, der damals in Jena eine Professor für Philosophie innehatte.
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