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RUTH FLEIGS GALERIE
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HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
A ZUR ANTHROPOLOGIE
Sloterdijk-Habermas
Pico della Mirandola
Michel de Montaigne
J. G. Herder
Max Scheler
Helmuth Plessner
Rück- und Ausblick
B ERINNERUNGSBILDUNG
Schock der Rückkehr
Erinnerungsautomatik
Wuchernde Phantasie
Seel. Raumpositionen
Sprache und Erinnern
Besuch als Korrektiv
Identitätsfragen
Steuernde Phantasie
Über das Vergessen
Biogr. Stimmigkeit
Proust. Doppelgänger
Selbsterweiterungen
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI GERMANISTICA

RÜCK- UND AUSBLICK

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sie wieder frei. Die nie gehaltene Oratio, die er als Eröffnungsrede des Kongresses verfasste, erschien erst 1496 im Druck, zwei Jahre nach Picos womöglich gewaltsamem Tod.6

   Die Conclusiones dieses auch des Hebräischen und Arabischen Kundigen sollten dazu anstoßen, die vielen konkurrierenden Denktraditionen wie die jüdisch-christliche Kabbala und die islamische Philosophie eines Avicenna, Averroës oder Moses Maimonides auf ihre geistige Konvergenz hin zu untersuchen. Ein Rechtfertigungsversuch, der auf dem Hintergrund des neuen Menschenbildes nicht als Eklektizismus abzutun ist, vielmehr den einen mensch­li­chen Geist, sofern er sich nur frei zu artikulieren wusste, auch in seinen entlegensten Denkbemühungen ernst zu neh­men suchte.

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Die weiteren Etappen der anthropologisch entwickelten „Weltoffenheit”, die über Montaigne und Herder zu Scheler und Plessner führten, zeigen keine geradlinige Entwicklung. Der Zugewinn an Einsichten ist eher sprunghaft und wird immer wieder zugunsten anderer Leitkategorien zurückgedrängt und in manchen Aspekte überhaupt auf­ge­ge­ben. Besonders schwer zu vermitteln war die Einsicht, dass der Mensch nicht göttlicher, sondern tierischer Her­kunft ist. Der fromme Selbstbetrug einer Gottesebenbildlichkeit des Menschen7 wurde schon relativ früh durchschaut (von Montaigne), doch pflegte man die Nähe zur tierischen Natur nur für Extremfälle seelischer und moralischer Verwilderung einzugestehen.

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6 Zu dem Verdacht, dass sein Sekretär Cristoforo di Casale ihn vergiftet haben könnte, vgl. Stephen Alan Farmer, Syncretism in the West: Pico’s 900 theses (1486). The evolution of traditional religious and philosophical systems (Tem­pe, Arizona, 1998), S. 177f.

7 Ein vorchristlicher Gedanke, den Ovid in seinen Metamorphosen (I 76-86) so ausführt:Aber noch fehlte bisher ein edleres Wesen, mit hohem|Geiste beseelt, damit es die anderen alle beherrsche.” „Als Abbild der alles beherrschenden Götter” wurde der Mensch von Prometheus aus Erde geformt: „Während die andern Geschöpfe gebeugt die Erde betrachten,|Gab er ein aufrecht Antlitz dem Menschen und hieß ihn zum Himmel|Schauen und zu den Sternen empor die Blicke lenken”. (Übers. von Thassilo von Scheffer, Zürich 1998). Plato nahm den Mythos in einer an­de­ren Variante auf, vgl. S. 19 zu Herder.

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