LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹
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Bildquelle: Hugo Burath, ›August Klingemann und die deutsche Romantik‹ (Braunschweig 1948), nach S. 48
Zeit
1795/96 zu gewinnen; »mit ihm scheint dann auch A.W.Schlegel von
allen Braunschweigern am meisten verkehrt zu haben«.216)
Unter
Eschenburgs Schriften, deren geschickte Didaktik und »knappe
Eleganz« immer noch Anerkennung finden,217)
hatten
die
Handbücher den größten Erfolg, die aus seinen Vorlesungen am
Collegium Carolinum
hervorgegangen
waren und ihnen zu Klingemanns Studienzeit wiederum zugrundegelegt
wurden:
Der »Entwurf
einer Theorie und Literatur der schönen Wissenschaften«
(1783),
den Herder für die Weimarer Gymnasien einführte, sodann das
enzyklopädische »Lehrbuch
der Wissenschaftskunde«
von
1792 (der Terminus »Wissenschaftskunde« stammt von Eschenburg)
sowie sein ins Englische, Französische und Dänische übersetztes
»Handbuch
der klassischen Literatur«
(1783).
Letzteres dient uns auch zum überzeugendsten Nachweis der
Annahme Buraths, Eschenburg habe Klingemann besonders gefördert. An
direkten Bekundungen wären eigentlich nur zwei
freundschaftliche Erwähnungen in »Kunst
und Natur«
beizubringen218)
sowie
Klingemanns Nachruf in der Zeitung
für die elegante Welt
(Nr.
59 vom 24.3.1820). Ein viel stärkeres indirektes Zeugnis aber für
die von Burath behauptete Förderung des jungen Klingemann sehe ich
darin, daß Klingemanns Vater außer den medizinischen Büchern noch
Eschenburgs »Handbuch
der
klassischen Literatur«
als
einziges Werk eines zeitgenössischen Literaten in Kommission
verkaufen konnte (laut Braunschweigischen
Anzeigen
vom
2.3.1799).
Nach
der gymnasialen Gelehrtenschule Katharineum,
die ab 1790 von dem philanthropischen Reformer und
Lessing-Verteidiger Konrad Heusinger geleitet wurde, besuchte also
Klingemann von Frühjahr 1795 bis 1798 das angrenzende Collegium
Carolinum.
Auf
Anregung des Abtes Jerusalem 1745 gegründet, hatte es inzwischen
europäischen Ruf erlangt. Merkwürdig blieb die Zwitterstellung
dieses Instituts. Zum einen gilt es als Vorläufer der Technischen
Hochschule, insofern sich viele seiner Absolventen höheren
praktischen und technischen Diensten zuwandten; neben den üblichen
naturwissenschaftlichen Grundfächern lehrte man Spezialdisziplinen
wie Forstwesen, Kriegsbaukunst, praktische Mathematik mit Feldmessen,
Mechanik und Statik, Metallurgie, Hydraulik, Bergwerkskunde und
sogar Glasschleifen und Drechseln. Zum anderen sollte das
Carolinum die Gymnasiasten und Privatschüler auf das
Universitätsstudium vorbereiten. Obgleich bescheiden als
Übergangsanstalt ausgewiesen, »überragte das Carolinum die meisten
deutschen Universitäten und zwar insbesondere im Hinblick auf
die hier tätigen Lehrkräfte«.219)
Gewiß,
der anfängliche Elan um Zachariä, Schmid und Ebert hatte sich
erschöpft … Von der noch bestehenden Ausstrahlung aber
mag der Umstand zeugen, daß Friedrich Schlegel – wie einst Wieland
– 1801 an eine Professur am Carolinum dachte. <… >
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216
Herbert
Levin, Die
Beziehungen der Romantiker zum Herzogtum Braunschweig.
In: Braunschweigisches
Magazin 1919
(S. 57-76), S. 69
217
Fritz
Meyen, Johann
Joachim Eschenburg 1743-1820
(Braunschweig
1957), S. 52 218
Kunst und
Natur,
a.a.O. (Fußnote 23), Bd.
1, S. 84 219
Jochen
Hoffmann, Jakob
Mauvillon. Ein Offizier und Schriftsteller im Zeitalter der
bürgerlichen Emanzipationsbewegungen
(Braunschweig
1980), S.30
- 98 -