LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹
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Übersetzers:
»Schlegel hat, des Verses wegen,
übersetzt:
›das
ist hier die Frage!‹ Davon steht aber im Originale (›that
is the question‹) nichts,
und der Satz ist nicht auf das Besondere, sondern vielmehr
auf das
große allgemeine Fragezeichen,
über
Fortdauer oder Vernichtung nach dem Tod
gestellt,
welches bis jetzt noch durch keine genügende Antwort beseitigt
ist.«44)
Dieser
dezidiert philosophische Frageansatz wird nicht allein in dem
Briefwechsel selbst vertieft, sondern schon die Begleitbedingungen
ihres Rollenspiels, vorab »Hamlets« Ausfälle gegen das Publikum
steigern sich zugleich mit seinem Diskurs ins Metaphysische.
Seine Reminiszenz, »einst aus Ingrimm über die Menschheit« den
Hamlet gespielt zu haben, als Gastrolle, um »mich gegen das
schweigend dasitzende Parterre eines Theils meiner Galle zu
entledigen«, diese kleine Aggression, die er auch in seinem Widerruf
der Situation bringt, »als wir noch blos auf dem Hoftheater uns zum
Vergnügen der Zuschauer liebten«,45)
sie wird nun in dem Maße, in dem
beider
Rollenspiel sich von der »Hamlet«-Vorgeschichte
löst und neu als Selbsterkundung definiert,
auf eine entsprechend höhere Zuschauer-Instanz übertragen –
anfänglich in Kreuzgangs Hypothese,
daß bei Liebesenthaltung »unser Herrgott, oder wer sonst zulezt den
Erdball noch einmal anschauen will, ihn zu seiner Verwunderung von
Menschen durchaus entvölkert gefunden hätte«; und schließlich
auch in seiner Hoffnung auf »einen lezten Schauspieler, der grimmig
das Papier zerreißt und aus der Rolle fällt, um nicht mehr vor
einem unsichtbar dasizenden Parterre spielen zu müssen.«
Aber
das ist beinahe schon sein letztes Wort in der Korrespondenz. Mit
welchen Skrupeln hatte er nicht erst hineinzufinden in sein
Rollenspiel! »An den Mond«, »An die Liebe«, »Hamlet an Ophelia«,
so muß er sich, parodistisch sich freischreibend von den
literarischen Vermarktungen des Gefühls, seiner Zellennachbarin
nähern und die
Maske der Liebe, die zu tragen auch er sich verurteilt findet,
seinerseits maskieren, den Zwang zur geschlechtlichen Liebe mit dem
Bewußtsein überspielen, daß er nur als »Liebeskranker«
Gegenliebe suchen mag. Aufrichtig
in seinem Grimm, ist er dabei auch zweideutig in seinem spielerischen
Anbändeln mit der alten Rollenbeziehung, wie er denn überhaupt in
vielen wörtlichen Anspielungen auf den »Hamlet«
immer sowohl Anschluß sucht –
wie anders könnte er die Verwirrte,
noch
den Muschelhut
ihres Geliebten Besingende ansprechen! – als auch nachdrücklich
und immer fordernder die persönliche
Differenz. Ophelia
zögert, sich seiner wortreichen Kapitulation anzuschließen und im
Ressentiment zu zeugen, sucht in ergreifendem Scharfsinn ihrer
Selbstspaltung auf der Spur zu bleiben
und
von ihrem ersten Satz an zu unterscheiden zwischen den Ansprüchen
ihrer Rolle, der sie sich noch verpflichtet weiß (um den Wahnsinn
ahnend), und dieser frei
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44
Kunst
und Natur,
a.a.O. (Fußnote 23), Bd. 3, S. 208-212
45
14. Nachtwache, a.a.O., S. 162 bzw. 157
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