LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹
_____________________________________________________________________________________________
erkennen
läßt, gehörte Klingemann sicherlich nicht, auch während seiner
Jenaer Zeit nicht, zum engeren Kreis um die beiden Herausgeber des
Almanachs.«34)
Daß
Klingemann den Almanach kannte, steht also dank der »Madonna«-Fußnote
in Beitrag Nr. 65, 1805 fest (»das zarte Gedicht von Wilhelm
Schlegel, in dessen Musenalmanache«). Ob er auch von Schellings
Autorschaft wußte,
läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, einige biographische Daten
machen es aber plausibel.
Zunächst
hatte er während der Jenaer Studienzeit von Sommer 1798 bis Ende
1801 Gelegenheit zu vielfältigen Kontakten, etwa im Hause von
Christian G. Schütz, dessen Liebhaberbühne 1800 das Klingemannsche
Trauerspiel »Die
Maske«
aufführte35)
und
dessen »Neue
Leipziger Literaturzeitung«
die
einzige uns bekannte Besprechung der »Nachtwachen«
bringen
sollte (am 23.8.1805). Außerdem war Klingemann in Jena nicht nur mit
Altersgenossen wie Clemens Brentano befreundet, sondern lernte
in diesen Jahren nach eigenen Angaben auch A.W. Schlegel und Ludwig
Tieck persönlich kennen.36)
Interessanter
noch in diesem Zusammenhang ist die Verquickung mit Braunschweiger
Verhältnissen. Klingemanns Heimatstadt war lange Zeit Refugium
Carolines, die, mit Schlegel 1796 in St. Katharinen getraut,
wieder von Oktober 1800 bis Ende März 1801 ihre Wohnung in
Braunschweig hatte und hier vor allem mit dem Ehepaar Campe
(Klingemann nahe verwandt) und Campes Schwiegersohn Vieweg
zusammenkam.37)
Die
folgende, schon von F. Schultz notierte Nachricht gewinnt dadurch an
Gewicht: es wurde nämlich, Monate vor Erscheinen des Almanachs,
»›der
Pfarrer zu Drottning‹
von
A.W.
Schlegel und Karoline in größerer Gesellschaft zu Braunschweig
vorgelesen, wobei die Anonymität nur zum Teil gewahrt blieb.«38)
Warum
aber übernahm er das Pseudonym »Bonaventura«? Betrachten wir die
Situation des Autors Klingemann 1803. Für seinen Roman »Die
Lazaroni«
benutzte
er das Kryptonym »Vom Verfasser des Romans: Albano,
der Lautenspieler«
(der »Albano«
selber
wurde »vom Verfasser der Maske« veröffentlicht, hübsch). Der
historische
-------------------------------------------------------------------------------------------
34
J. Schillemeit, a.a.O. (Fußnote 1 auf S. 2), S. 117
35
H. Burath, a.a.O. (Fußnote 23 auf S. 22), S. 58-61 ("Das Haus
Schütz").
36
Vgl.
Klingemann, Kunst
und Natur,
a.a.O. (Fußnote 23 auf S. 22), Bd. 1, S. 39f. und 315f.
37
Caroline. Briefe
aus der Frühromantik.
Nach Georg Waitz vermehrt hg. von Erich Schmidt (2 Bde., Leipzig
1913); Bd. 2, s. Brief vom 24.11.1800 an Luise Gotter (S. 17f.) u.
pass.
38 Franz
Schultz, Der
Verfasser der Nachtwachen von Bonaventura. Untersuchungen zur
deutschen Romantik (Berlin
1909), S. 28
Und
zwar schreibt Caroline Anfang Januar 1801 an Schelling: »Höre, ich
will Dirs nicht verbergen, auch der Pfarrer ist vorgelesen
worden, und es entging niemand der großen Wirkung dieses
inkorrekten Gedichts. Anonym