SELBSTSTILISIERUNGEN ÜBER DEN EIGENNAMEN
____________________________________________________________________________________________________________________
Bildquellen: www.braunschweig.de/tourismus/ueber-braunschweig/sehenswuerdigkeiten/_altstadtrathaus.html – Foto der Fürstengruppe: H.F. (1983)
Quelle für Klingemanns Brief: »August Klingemann. Briefwechsel«, hg. von Alexander Košenina und Manuel Zink (Göttingen 2018), Brief Nr. 276.
Erstdruck durch Paul Zimmermann: »Aus den Briefschaften August Klingemanns« (Teil IV). In: »Braunschweigisches Magazin« (1924) S. 21-26
Intendanten von Lübeck den Befehl, daß Klingemann der Kontrakt zu kündigen und daß er provisorisch beim Carolinum ... anzustellen sei. Seinen Titel sollte er behalten und auch noch gewisse Theatergeschäfte fortführen.« (Hugo Burath, a.a.O. S. 172) Klingemann selbst erklärte seinem befreundeten Dresdner Theaterkollegen K. G. Th. Winkler am 2. Oktober 1829:
»Hier in Leipzig (einen sechswöchentlichen Urlaub benutzend) angekommen, will ich nun aber mein langes Schweigen brechen und, frei aufathmend, mich gegen Sie expectoriren! .... ich mache diese Reise kreuz-quer um mich von langen, bis auf's äußerste erschöpfenden Anstrengungen zu erholen, welche mir, bei einer minder energischen Constitution ... in meiner Heimath sicher den Tod schon zugezogen hätten ...
Nicht mehr auf eine Regeneration rechnend, ist es mir endlich gelungen, mich selbst dabei von dem Speciellen auf das Generelle und eine formelle Oberdirection zurückzuziehen, welche mir Zeit gewährt mich mit mehr Lust und Liebe einer mir zugleich übertragenen Professur der schönen Literatur an unserm Collegium Carolinum zu widmen, auf welche ich mich klüglich zuletzt ganz zurückziehen werde, da ich das Theater s a t e t s a t i s habe!« (Quelle: »Aus den Briefschaften August Klingemanns«, hg. von Paul Zimmermann, »Braunschweigisches Magazin« 1924, Nr. 2 vom März und April)
Die Professur hat Klingemann offenbar nicht mehr angetreten (in den Vorlesungsverzeichnissen etwa wird er nirgendwo aufgeführt), zumal er nach den revolutionären Unruhen und der Flucht des Herzogs im September 1830 wieder sogleich von Carls Bruder und Nachfolger Wilhelm in sein Direktorenamt eingesetzt wurde. Überdies verstarb August Klingemann schon im Januar 1831 an einer Lungenembolie.
***
Da in Klingemanns Oeuvre jener Larventanz die einzige Gegenszene zu den umringenden Schellenträgern der 10. Nachtwache ist, möchte ich hier auf eine Braunschweiger Sehenswürdigkeit ersten Ranges aufmerksam machen. Ausführlich vorgestellt hatte sie schon Ribbentrop 1789 in seiner »Beschreibung der Stadt Braunschweig«. Es ist dies die Gruppe annähernd lebensgroßer Statuen am Altstadtrathaus, Braunschweiger Fürsten und deren Gemahlinnen – darunter spätere deutsche Könige und Kaiser – die in einem rechten Winkel um den Betrachter postiert sind und als charakteristische Tracht den sogenannten Dusing (Duchsing), eine Schellenkleidung tragen. Ribbentrop beschreibt diese Standbilder aus der Mitte des 15. Jh. wie folgt (Bd. 1, S. 208-214):
»An den 9 Pfeilern der Bogenlauben sind Nischen, worin in Stein ausgehauene Statüen von 5 bis 6 Fuß in der Höhe stehen. Auf dem ersten Pfeiler gegen die Martinikirche ist die Statüe Kaiser Heinrich des Finklers, in langer Kleidung, über der linken Schulter gegen die rechte hängt ein Gürtel oder Schnur, woran Schellen sind ...Am zweiten Pfeiler Otto I. ...Hat eine gedoppelte Schnur mit Schellen um den Hals, welche auf die Brust herabhängt ...Am 3ten Pfeiler Otto II …hat einen besondern Gürtel um den Unterleib, am Halse eine …Schnur mit Schellen …Am 4ten Pfeiler …Otto III …hat um den Leib einen Gürtel ohne Schellen …Am fünften Pfeiler im Winkel, Kaiser Lotharius ...der einzige, deßen Gemalin sich hier nicht findet ...Am sechsten Pfeiler Kaiser Otto IV. Heinrich des Löwen Sohn ...
Am siebten Pfeiler Heinrich der Löwe mit einem Bart ...hat in der rechten Hand ein Schwerdt ...Deßen Gemalin ist in langer Kleidung, mit Haarlocken und Schleier <siehe diese Abbildung> ...
Alle Figuren haben ...Gürtel und Umhänge, woran Schellen hängen. Man nannte diese Gürtel in der alten Sprache Dusinge, Duchsinge ...Dus, Thys hies ein Klang ...Sie war Anfangs eine Tragt der Großen, welche dadurch ihre Ankunft und Gegenwart zu erkennen geben wollten, und daß Geringere ausweichen sollten ...«
Auch Klingemann geht in »Kunst und Natur« (1821) auf diese Kalksteinstatuen am oberen Laubengang des Rathauses näher ein:
»Der gothische Bau ...ist besonders merkwürdig durch die in den Blenden der verschiedenen Mauerbogen angebrachten steinernen Bildsäulen ...Das Costum dieser, an sich steif und geschmacklos ausgeführten Figuren« zeichne sich dadurch besonders aus, daß sich »überall der Schellengürtel (sogenannte Dusing) dabei vorfindet«. Und er macht noch einige kunsthistorische Anmerkungen zu dieser ursprünglich wohl »morgenländischen« Mode (a.a.O., Bd. 2, S. 448).
Es waren dies also »Klinge«-Männer im vornehmsten Sinne, und ich möchte die zwar ziemlich spekulative, aber doch vielleicht nachvollziehbare Überlegung anstellen, ob Klingemann nicht Grund hatte, die Träger seines Namens und Repräsentanten menschlicher Geschichte
- 61 -