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sich selbst übertrat«, das Publikum und die anderen Spieler beschimpfte und seinen Direktor Klingemann durch handfeste Wahnvorstellungen in höchste Angst versetzte: »er fühlte sich bis zur Weltverachtenden Idee getrieben, ja hörte, wie in magnetischen Rapport gesetzt, um sich her seine vermeinten Gegner rezensiren, seine Mitschauspieler ihn parodiren«.83) Es sind dies komplementäre Formen mißglückender Mimesis; ist die Identifikation mit der Rolle bei Leo eine Idiosynkrasie, die im Höhepunkt die Rolle selbst zerstört, so wird die Ophelia der 14. Nachtwache in der Rolle der Wahnsinnigen festgehalten, bleibt ein Kunstwesen, das im Rapport mit Hamlet-Kreuzgang das gefährdete Selbst des rollenwechselnden Spielers aus der Distanz – reflektiert – zu erfassen trachtet. Beide Wahnzustände unterscheiden sich von den Exaltationen des täuschenden Schauspielers der 12. Nachtwache, der sich vorsätzlich an den Leidenschaften seiner Rolle berauscht, sie verharmlost und verrät, indem er sie in das Alltagsleben hineinträgt und auf diesem Niveau einübt. Bei beiden nämlich, ob in kreativer Besessenheit durch die Rolle oder in bloß kompensatorischer Desertion daraus, ist die Verstörung Ausdruck und Ahnung dessen, daß es im Austausch von Rolle und Persönlichkeit nicht immer zu einer höheren Balance kommt, sondern auch zur Dominanz und Auszehrung durch den jeweils stärkeren Part. Was sich in solchen Ausnahmesituationen auf der Bühne am eindrucksvollsten manifestiert, lauert nun aber hinter jeder Form von Mimesis: im Sinnbild des Vampirs hat Klingemann diese Gefahr und Versuchung sein Leben lang bewußt gehalten, zu bannen und provokativ auszuspielen gesucht, ob in direkter unverhüllter Aufnahme bestimmter Sagen seiner Heimat, des variantenreichen Stoffes der »Lenore« oder »Braut im Grabe«, in der Neigung zu Wiedergängern und Untoten wie dem Ewigen Juden, oder in literarischen Sublimationen wie beim Memnonkult, in der politischen Umsetzung des Femeromans, auch endlich in metaphysischen Konstruktionen wie der verschlingenden Zeit und in der Ikonographie des Nichts. In seiner Herkunft und in den späteren Metamorphosen wird uns der Vampirkomplex schon bei der Darstellung von Klingemanns Jugend zu beschäftigen haben.
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83 Klingemann in Kunst und Natur, a.a.O. (Fußnote 23), Bd. 3, S. 325ff.– Zu Leos Weggang von Braunschweig vgl. Zeitung für die elegante Welt 1815, Nr. 224 vom 13.11. u. Nr. 246 vom 14.2.