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LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 

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Verhaltensweisen: sprungbereites, reflexartiges Agieren, das noch dem Improvisationsstil des alten Hanswurst ver­wandt ist, und sodann die Gegenhaltung der Reflexion, die Entsetzen und Empörung vom Anlaß zurückwendet (und gelegentlich auch das meditierende »In-sich-Zurückgehen« des Messebeobachters von 1802 erlaubt). <...>

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Der Raum der »Nacht« also ist im besonderen Maße dem sichanschmiegenden Widerspruchsgeist günstig. Daß Klinge­manns mimetisches Genie hier recht eigentlich in seinem Element sein mußte, versteht sich schon von der vielfach no­tierten geistigen »Übersetzungs«-Arbeit dieses Literaten her, seiner intellektuellen Leidenschaft, sich auf die gewichtigsten poetischen, philosophischen, künstlerischen, juristischen, medizinischen und sozialpolitischen Tendenzen seiner Zeit einzulassen und mit ihnen sein spöttisches, bewegendes, erfinderisches und durch­weg reflektiertes Spiel zu treiben. Was Klingemann in den Jahren zuvor nur sukzessive, in stilistisch streng voneinander abgegrenzten literarischen Großformen wie dem (Schauer-und-)Ritterstück (1798), dem kam­merspielgleichen »Charaktergemählde« (1800), dem allegorischen Bildungsroman (1801), dem vexierfreu­digen Abenteurerschmöker (1802) oder der bühnenpolitischen Theatersatire (1803) erprobt hatte, konnte er nun, zusammen mit seinen Erfahrungen als Programma­tiker und Theoretiker (»Memnon«), Literaturkritiker und Polemiker, in der Erzählform von »Nachtwachen« zum ersten Mal simultan aufnehmen und in ei­ne kritische poetische Konstellation bringen. Gründlich war er einmal aus der Rolle gefallen, aus der Exi­stenz literarischer Sonderrollen, setzte sich über die – in den »Nachtwachen« ebenfalls massiv gescholtene – kulturelle Arbeitsteilung hinweg, um auch als Erzähler die akademisch instruierten Denk- und Ausdrucks­formen mit den diskriminierten der Trivialliteratur zusammenzubringen.


Indem aber der Erzähler Kreuzgang alle denkbaren »nächtlichen« Erfahrungsbereiche und geistigen Positionen berührt und durchdringt, wird er seinerseits als Subjektivität zunehmend angegriffen. Fieberhaft sucht er in den letzten Nachtwachen nach dem, was sich in seinem intellektuellen und sozial abgenötigten Rollen-Wechsel unver­lierbar durchhalten könnte. »Das Leben läuft an dem Menschen vorüber, aber so flüchtig daß er es vergeb­lich anruft ... und ich taumle mitten im Kreise umher... Gebt mir einen Spiegel ihr Fastnachtsspieler, daß ich mich selbst einmal erblicke« (10. Nachtwache): Solch resignierende und dann verzweifelnde Rückwen­dung ist ebenso Ausdruck der vielen eigenen fliegenden Positionswechsel wie die technisch klingende


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