LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹
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zur Zeit der Niederschrift der »Nachtwachen«
dürfte es der am 3. Mai 1807 verstorbene Nachtwächter Muncke
gewesen sein, dessen Nachfolger schon am nächsten Tag
vereidigt wurde,152
- »wohl dem der Konnexionen hat«, wie Kreuzgang bei
seiner Anstellung als Nachtwächter bemerkt. Johann
Christoph Muncke, Sohn eines Amtsdieners, war 1794 in der Stellung
eines Bedienten zu St. Blasien getraut
worden; irgendwann wurde er dann »Stiftsnachtwächter«,
als welcher er laut Kirchenbuch des Blasiusdoms
»in einem Alter von 35 Jahren am Schlagfluße starb«.153
Er hat seinen Dienst unter den Augen »Bonaventuras«
verrichtet, war seinerzeit nicht wesentlich älter als
dieser und mit dem Dom-Burg-Bann so vertraut, daß man
nicht von dem Gedankenspiel lassen kann, ob und
wieweit wohl Christoph Muncke in das
»Nachtwachen«-Projekt
eingeweiht war oder selber gar über seine
soziale Herkunft einiges zu dem Nachtwächter
Kreuzgang beigesteuert hat.
*
Neben
dem gotischen Dom wird der Friedhof als Lieblingsort des
Nachtwächters herausgehoben aus der Anonymität der Nacht. Wenn
ich nun nach dem Braunschweiger Urbild für den Kirchhof der 16.
Nachtwache geforscht habe, so wiederum unter
der Voraussetzung, daß der Dichter Klingemann keine auch nur
annähernd detailgerechte Übersetzung
hinterlassen wollte und konnte.
Zu
Beginn des 18. Jahrhunderts gab es noch ungefähr 16 Kirchhöfe
innerhalb der Stadtmauern Braunschweigs, Beerdigungen
in der Stadt selbst aber waren seit 1772 äußerst selten und wurden
etwa 1797 ganz eingestellt.154
Die Lageangabe durch Kreuzgang scheint darum
nicht nur metaphorisch gemeint zu sein:
»Ich
besuchte auch in dieser Nacht meinen Lieblingsort, dieses
Vorstadtstheater, wo der Tod dirigirt
...«
(Nachtwachen,
a.a.O., S. 184)
Nun
führen Meier/Schadt nicht weniger als 21 Kirchhöfe vor den Toren
der Stadt auf, die seit dem 18. Jahrhundert benutzt
wurden. Einen ersten Fingerzeig gibt uns erneut Klingemanns
früher Ritterroman »Die
Asseburg«,
in dem au-
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152
Paul Zimmermann, Die
Dompfarre zu Braunschweig im Rahmen des Stiftes St. Blasii.
In: Braunschweigisches
Magazin
1922, Nr. 4 u. 5 (S. 18)
153
Kirchenbuch des Blasiusdoms im Stadtarchiv Braunschweig, Nr. 217c, G
III 1: Bd. E 310, S. 77 rechts (Beerdigungen
1796-1814)
154 Vgl. H. Meier/W. Schadt, Die
Kirchhöfe vor den Toren der Stadt Baunschweig.
In: Braunschweigisches
Magazin
1920, S. 1-9
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