LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹
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näher
anzuschauen (die Leipziger »Zeitung für die elegante Welt«, war
methodisch wahrlich kein Geniestreich; nicht allein Hermann
Michel war schon so vorgegangen (1904) und mit der
Entdeckung belohnt worden, daß »Bonaventura« dort am
26.3.1805 ein »Teufels
Taschenbuch«
angekündigt hatte, vielmehr war dies Nachsuchen in der
»Eleganten«
- was Schillemeit in seinen Vorbemerkungen zur
Methode nicht erwähnt - eine geübte Praxis in der
Forschung, gar glaubten Franz Schultz (1909) und Erich
Frank (1912) weitere anonyme bzw. pseudonyme
Beiträge des »Nachtwachen«-Verfassers
dort entdeckt zu haben4.
Schillemeits Ansatz war so eigentlich kaum mehr
möglich bei Kenntnis der leerlaufenden
Forschungsgeschichte. Erst recht
kompromittiert war sein Beweisverfahren, das
sich wiederum darin erschöpfte, zwischen den
Schriften des mutmaßlichen Verfassers
und den »Nachtwachen«
die verschiedensten »Parallelstellen«
aufzufinden und zu akkumulieren, dies also ohne den
systematischen Versuch, von Klingemanns Werk und
Horizont her die »Nachtwachen«
besser oder zumindest neu zu verstehen. Nun war
allerdings eine nähere Beschäftigung mit
den »Nachtwachen«
ohnehin nicht von Schillemeit zu erwarten,
schätzt er doch dies Buch nicht sonderlich.5
Warum aber hat er sich dann überhaupt an die
Identifizierung des Pseudonyms gemacht?
Sollte hier nicht ein Braunschweiger zufällig auf einen
anderen aufmerksam geworden sein, der
Germanistikprofessor an der Technischen
Universität Braunschweig, dem Nachfolge-Institut des
illustren Collegium Carolinum, auf dessen ehemaligen Professor und
Theaterdirektor Klingemann, der
literarhistorisch weithin als »Faust«-Erstaufführer
bekannt geblieben war? Wofür zudem spricht, daß
Schillemeit Klingemanns 1800 erschienene und rare
literarische Zeitschrift »Memnon«
soeben noch - gleichfalls unerwähnt von ihm -
als Herausgeber einer Lyrik-Anthologie in
der Hand gehabt hatte. Wie auch immer, Schillemeit
kann unseren Mann jedenfalls mit seiner Methode
allein nicht gut ermittelt haben.
Die
Reaktion der Fachkritik erfolgte rasch und verkehrte sich bald in
einen neuen Kandidaten-Wettbewerb. 1975 dann gab Jeffrey L.
Sammons, der zunächst der Klingemann-These halb zugestimmt
hatte, das Signal zur offenen Gegenattacke: »Whoops! Stop
the
presses!
Perhaps
it was not Klingemann after all ...«,6
indem er auf die Kandidaten des 74er Jahrganges verwies, auf Johann
Benjamin Erhard
(durch Wolf-
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4
Frank Schultz, Der
Verfasser der Nachtwachen von Bonaventura.
Untersuchungen
zur deutschen Romantik
(Berlin 1909), S. 226. Ferner Erich Frank in seiner Ausgabe der
Nachtwachen
von Bonaventura (Heidelberg
1912), S. 172f. und 162ff.
5
S. dazu Jeffrey L. Sammons' Rez. von Schillemeits Buch in Zeitschr.
f. dt. Philol.
(1974, Heft 2), S. 290
6
Jeffrey L. Sammons in English
Language Notes
(Vol. XIII, Suppl. to Nr. 1, Sept. 1975), S. 134f.