MERLIN ODER DER ALTE GOETHE
DIE LETZTEN JAHRE (1823-32)
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signation
eingesteht und auch seine früh verfestigte
›anti-vulkanistische‹ Ansicht zur
Bildung der Erdrinde zuweilen in Frage zu stellen weiß,
hält er an seiner Farbenlehre, die er noch über sein
dichterisches Werk zu stellen behauptet, so starr
wie unproduktiv fest. Neben gelegentlichen
Demonstrationen für Besucher und
kleineren Anschaffungen von optischen
Instrumenten ist als einziger Versuch
einer systematischen Gegenwehr sein wiederholt ins Auge
gefaßter und wieder zurückgestellter
Plan zu nennen, das Werk didaktisch »in's Enge zu ziehen
und vielleicht für die nächste Generation,
wo nicht gar erst für die folgende, brauchbar zu machen«
(Tagebuch 2.12.1831). Für die zeitgenössische
Fachwelt aber hat er nur noch viele bitterböse
Nachlaß-Invektiven übrig. Schrecklich Sorets
Beobachtung vom 10.2.1830, wie Goethe »mitten
im Halbschlummer« den Kampf um die Wahrheit der
Farbenlehre mit einem Schiffbruch
vergleicht, bei dem nur ein einziger »eine Rettungsplanke
erwischt < ...> alle übrigen müssen elend
ersaufen«.
Über
das krasse Beispiel der Farbenlehre haben wir uns jener
Gegenstrategie des alten Goethe genähert, seinem Rückzug
aus dem Horizont der Zeit. Nichts von geistiger Altersdiätetik,
Entspannung oder gar Aufheiterung des nun einmal
unvermeidlichen Abschieds, sondern Widerstreben auch hier. Feiern des
bereits Geleisteten stößt ihn wie das dazu
aufgelegte »enkomiastische« Publikum eher ab, mit all den
Ehrungen durch Geburtstags- oder
Genesungsfeiern, Porträts, Ehrendoktorwürden
und ungezählte Widmungen sucht er nach Möglichkeit
produktiv fertig zu werden, gibt Rechenschaft
von seiner Entwicklung und deutet auf noch anzugreifende
Arbeiten. Auf Varnhagen v. Enses apologetische
Sammlung Goethe
in den Zeugnissen der Mitlebenden
entgegnet
er 1824 mit dem - erst im Nachlaß gefundenen -
Vorschlag, auch schon »mißwollende
Zeugnisse«
für spätere Literarhistoriker zu
sammeln, ein Unternehmen, zu dem er dann im Oktober 1827
seinen Großneffen A. Nicolovius
brieflich auffordert, als ihm dieser sein ebenfalls
tendenziöses Sammelwerk
Über
Goethe
vorlegt.
Auf
seinen Weltruhm aber antwortet Goethe mit einem Begriff, den er 1827
selbst geprägt, durchdacht und noch im selben Jahre in ›Kunst
und Altertum‹ VI
1 mit vielen Beiträgen zur europäischen wie asiatischen
Literatur ausgebreitet hat: ›Weltliteratur‹.
Diesen Zusammenhang spricht er selbstverständlich so nicht aus,
doch läßt sich unschwer erkennen, daß seine
wiederholte Versicherung, das Ausland blicke seit einiger
Zeit mit großem Interesse auf die deutsche
Literatur, die wie keine zweite gegenwärtige sich um die anderen
Literaturen verdient gemacht habe,
im wesentlichen nur durch die Resonanz seiner eigenen Werke
gedeckt ist. Also etwa durch die von A. Stapfer
1821-25 in Paris herausgegebenen vier Bände Oeuvres
dramatiques de J. W. Goethe,
eine Reihe von englischen und französischen
Einzelübersetzungen, Byrons
Sardanapalus-Widmung
1823 (»to <...> the first of existing writers«), den Aufsatz
Life
and Genius of
Goethe von G.
Bancroft 1824 in der Bostoner ›North
Ame-
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