KREUZGANGS LIEBLINGSORTE: (BURG-)DOMPLATZ UND (MARTINI-)FRIEDHOF
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Nur
geisterhaft ist dieser Dombau zu beleben, als müßte eine Statue bei
Fackelglanz in täuschendes Leben versetzt werden. Läßt
sich etwas Phantastischeres für den Auftritt des starrsüchtigen
Ewigen Juden der 4. Nachtwache erdenken als das
Dominnere selbst, das uralte versteinerte Herz des
Burgplatzes? Unwiderstehlich erfaßt es hier
den Beobachter des nächtlichen
Selbstmordversuchs und droht auch ihn zu versteinern -
Es
»stand der Zeiger still und grade auf der Mitternachtszahl. Ich
schien mir gelähmt und rings um
war
alles unbeweglich und todt ... Jezt war's vorbei, das Räderwerk der
Uhr machte sich Luft, der Zei-
ger
rückte fort«. (Nachtwachen,
a.a.O., S. 47)
So
ergreift es in »Ahasver«
den hunderjährigen Vorläufer des Ewigen Juden in einem vordeutenden
Traum, festgehalten
zwischen Tod und Leben:
»Im
alten Kreuzgang, vor dem Gruftgewölbe, / Wo eure Ahnen ruhn, da
liegt die Zeit,
Ein
graues Riesenbild, aus Stein gehauen ... / Da faßt ein Schlummer
mich dicht vor der Pforte,
Daß
ich, am Steingebilde niederkauernd,/ Die Augen unwillkührlich
schließen muß«.149
Inmitten
dieses Dombezirks erscheint Ahasver beinahe als eine biographische
Schlüsselfigur. Und wenn ich mir zum Abschluß dieses Komplexes
einmal eine pure Spekulation erlauben darf, dann die, daß August
Klingemann in einem der Puppenstücke des
Burgplatzttheaters einst Ahasver in der Rolle des - Nachtwächters
gesehen hat. Die Rollenverschränkung
zumindet lag nicht fern; der Nachtwächter, der in manchen
Sagen nach dem Tode als Spukgestalt umgeht,
ist in Legenden wie der vom »Ewigen
Hotemann«
wegen eines Vergehens an Christus »zur Strafe verwünscht, ewig
umhergehen zu müssen und zu blasen ... Hier
stellt der Nachtwächter offenbar eine Variation des ewigen
Juden dar«.150
Um
1790 gab es in Braunschweig 24 öffentlich angestellte Nachtwächter,
»welche die Stunden abrufen müssen«, und
verschiedene privat angestellte »Schnurrwächter«.151
Das Stift St.
Blasien unterhielt einen eigenen Nachtwäch-
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149
Ahasver,
Trauerspiel
(Braunschweig 1827), S. 19f.
Die
Starrsucht, eines der eigenwilligsten (Vampir-)Motive Klingemanns und
in dauernder Opposition zum Grundmotiv der Morgenröte
(Memnon!), überfällt und zeichnet den, der unerlöst, im
»Nächtlichen« ein Scheinleben zu führen hat. <...>
150
Adalbert Kuhn, Sagen,
Gebräuche und Mährchen aus Westfalen und einigen anderen Gegenden
Norddeutschlands
(2. Teil, Leipzig 1859), S. 33 (dort weitere Quellen)
151
Ribbentrop, a.a.O. (Fußnote 127 auf S. 72), Bd. 2, S. 114
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