KONSEQUENZ IN KLINGEMANNS BIOGRAPHIE. - »NACHT« UND MIMETISCHES GENIE
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lich
genug Kreuzgangs letzte stürmische Suche nach einem neuen Pantheon
erkennen, in dem die Großen sich frei entfalten dürften
und zu dem man nur ebenso unabhängig, schöpferisch
und als Eroberer Zutritt hätte. »Der dramatische
Dichter«, schreibt Klingemann um 1812 im Hinblick
auch auf die eigenen dramatischen Geschichtsdichtungen,
»ist in einem weit höhern Sinne, als jeder
andere - Schöpfer; denn er schafft ... auch
Menschen, und zwar solche, die er in dem Augenblicke
ihrer Entstehung frei giebt, so daß sie selbstständig in Kraft und
Handlung ihr eigenes Ich repräsentiren,
und ihre eigene ideale Welt bevölkern.«68
Immer wieder, wenn auch nur in den spärlichen
Höhepunkten dieser dramatischen Produkte, werden
wir zudem auch auf die bitteren und aussichtslosen
Grenzerfahrungen Kreuzgangs stoßen. Zu
retten sind diese Stücke nicht. Wer aus Enttäuschung
darüber auf den Rang oder das Zustandekommen
der »Nachtwachen« schließen wollte,
hätte zu bedenken, daß Klingemann nach den
»Nachtwachen« kein erzählerisches
Werk mehr veröffentlicht hat; zwischen der monomanen
Erzählhaltung unseres Nachtwächters aber und dem
ausgewogenen, polyvalenten, disziplinierten
und auf Bühnenwirksamkeit bedachten
Arrangement des Dramatikers liegen
Welten (nur da, wo sich jemand in schwerer Bedrängnis
Luft zu verschaffen sucht, in Monologen
meist, lebt auch das rücksichtslos-überlegene
Denken Kreuzgangs wieder auf). Klingemanns nicht
unerhebliche Erfolge als
Bühnenschriftsteller haben ihn von seiner
Begabung denkbar entfernt; noch der Lyriker
Klingemann - einige Einlagen in
»Romano« deuten dies an - hätte Besseres
zustandegebracht.
Nicht der
Bühnenschriftsteller,
sondern der Bühnenpraktiker
Klingemann, der Regisseur, Dramaturg, Direktor und
Kritiker hat die innerste biographische Verbindung mit
den »Nachtwachen«
gehalten. Der hautnah beobachtende,
mitgehende und doch distanzierte, revidierende Umgang
mit Schauspielern, diese besondere
Bühnennähe des Inszenierenden liegt Kreuzgang,
dem miterlebenden Erzähler gar nicht
so fern, wie es scheinen mag: Der Raum der Nacht kann jedes
Geschehen zum theatralischen Auftritt
werden lassen, läßt die Begegnungen entweder chocartig
hervortreten oder reizt mit der hypnotischen
Gewalt der wenigen unbestimmten Wahrnehmungen zu einer
Erkundung, die den Handelnden im Schutz der
Dunkelheit zum Augenzeugen zu reduzieren droht,
ihm zugleich aber die zusätzliche
Erfahrungsebene der Reflexion
gestatten kann. Zur Rolle dieses Nachtwächters gehören
beide,
oft schlagartig wechselnden
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68
August Klingemann, Oehlenschläger. Fragmente zu seiner
Karakteristik als dramatischer Dichter. In: Almanach für
Theater, hg. v. F. L. Schmidt (Hamburg 1812, S. 48-67),
S. 50