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Postskripta 2011

PSEUDONYM UND TIEFENHERMENEUTIK. LITERARISCHE IDENTITÄT
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schlie­ßend Iden­ti­schen. - Ei­ne glei­che Ka­pitulation spricht aus der verbreiteten These, nur ein Zufallsfund aus dem Die­ne­mann­schen Verlagsarchiv könne das Problem lösen. Als Eingeständnis des Nicht­wis­sens hilft dies weiter, nicht aber als ein Ig­no­ra­bi­mus; zudem wäre etwa eine Vorschußquittung mit Na­men nichts als ei­ne Spur, über de­ren Trif­tigkeit einzig die In­ter­pre­ta­ti­on des Le­bens­werkes als Texte-Kri­tik be­fin­den kann.2)


Das beispiellos Verschlossene dieses Buchs verlangt eine Inter­pretation, die das Grundproblem der »Nacht­wa­chen« neu auf­nimmt, um es an ihnen selber und gegen sie zu definieren: »Identität« oder »Selbst«. Da­von ent­hält die Fra­ge nach dem Ver­fas­ser ge­ra­de ei­nen Vorbegriff; was in der bestimmten Identität zu den­ken ist und was nicht, soll als Iden­ti­fi­zie­ren Zug um Zug ver­sucht wer­den.

    Den auch taktisch sich unterscheidenden Vorschlägen für »Bo­naventura« ist im Ansatz gemein, daß sie von mar­kan­ten, ob of­fen­lie­gen­den oder versteckten Textmomenten der »Nachtwachen« her Ausschau halten nach einem Literaten, zu dem die Sel­ten­hei­ten wohl passen möchten. Überhaupt zum Problem gemacht wur­de dies be­stä­ti­gen­de Vor­ge­hen erst durch die Prager Dis­ser­ta­ti­on von Karl Hof­mann (1921), der das Sum­mie­ren von in­halt­li­chen(?) Pa­ral­le­len durch Schultz und Frank(?) angreift und statt­des­sen auf nicht-will­kür­li­che Funk­ti­ons­wör­ter achtet; vergleicht er den Be­fund bei »B« ohne weiteres mit dem auch von ihm ver­mu­te­ten Bren­ta­no, so ist er wohl der er­ste, der sich (systematisch) einem Scheitern aussetzt; doch blieb auch hier - ab­ge­se­hen von den feh­ler­haf­ten Kom­binationen in seinem statistischen Verfahren3) - der Kreis der Kan­di­da­ten will­kür­lich.

    Und hier liegt der andere Grund für das Verrannte des For­schungsstandes: Der in Frage Kommende ist ent­we­der von der mehr oder minder argen Belesenheit mit ihren diffusen Relikten ge­steuert oder wird eng­stir­nig an be­stimm­ten Be­rüh­rungs­punk­ten erwartet, wie durch Schultz, der im Umkreis des Peniger Jour­nals re­cher­chier­te. Sein Au­sgang ist we­nig­stens ein­seh­bar, wäh­rend jener sich nur auf Anmutungsqualitäten be­ru­fen könn­te - fak­tisch zeigt nur Frank die Kar­ten vor, wenn er, um »nur al­le ir­gend in Be­tracht kom­men­den Ro­man­ti­ker« auf das Da­tiv-e hin durchzusehen, gerade zwanzig Autoren an­führt; und

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2) Postskript 2011:)  Dieser kleine Vorbehalt würde auch für den überraschenden und schönen Fund von Ruth Haag gelten, die bei ei­ner Nach­laß­be­ar­bei­tung im Amsterdamer Universitätsarchiv auf ein Verzeichnis der Werke Klingemanns von fremder Hand stieß, in das Klin­ge­mann 1830 ei­gen­hän­dig die Nachtwachen als sein Frühwerk einfügte. Vgl. Ruth Haag: Noch einmal. Der Verfasser der Nacht­wa­chen von Bo­na­ven­tu­ra, 1804. In: Euphorion 1987 (Bd. 81, Heft 3, S. 286-297). Siehe die Abbildung dieser Selbst­zu­schrei­bung Klin­ge­manns.

   Nur gut, in der philologischen Sache und auch pro domo, daß nach diesem »Rohmanuskript« von 1973 auch mein Klin­ge­mann-Buch von 1985 schon erschienen war und vor allem die internationale Fachkritik dieser Identifizierung im wesentlichen zu­ge­stimmt hat­te.

3)  Jeffrey L. Sammons, The Nachtwachen von Bonaventura. A Structural Interpretation (London/The Hague/Paris I965), S. 20-27


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