LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹
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Ribbentrop
mußte bedauern, daß sich kaum noch Altertümer im Dom befänden,
das Imervardkreuz sei beiseite gesetzt, die beiden
Holzplastiken Schmerzensmann und Passionssäule sowie ein weiteres
Holzkreuz bewahre man im Turme auf, der riesige siebenarmige
Leuchter und fast alle Reliquien seien in einem
Archive untergebracht, auch habe man die vielen alten
buntbemalten Fenster entfernt.145
So hielt sich später auch Klingemann, der doch den
Dom unter »den alten gothischen Bauen« als
»höchst merkwürdig und anziehend« herausstellte,
vornehmlich an die Grabmäler und steinernen
Statuen. »In dem Schiffe der Kirche befindet sich das
Grabmal des Herzogs, worauf er selbst nebst seiner
zweiten Gemahlinn, Mathilde von England, in Stein
ausgehauen ist. Heinrich hält in der einen
Hand das gezogene Schwert, in der andern das Modell
des Domes; Mathilde faltet die Hände
betend über die Brust«, und von den »steinernen
Särgen« in der Gruft kommt er, nach Erwähnung des
Blasiushorns und eines Altarblattes,
schließlich wieder auf Statuen und Steinsärge
zurück.146
Seit der Reformation war der Dom Zug um Zug um seine Schätze
gebracht worden, entfernt wurden ungefähr
30 Nebenaltäre, das alte Chorgestühl, und im Barock wurden
sogar die Malereien übertüncht (und erst
Mitte des 19. Jahrhunderts freigelegt).147
Ein
Mal nur, zu Beginn der 10. Nachtwache, wird der Eindruck des
Versteinerten durchbrochen und Kreuzgangs Bericht
lebendig:
»Das
ist eine wunderliche Nacht; der Mondschein in den gothischen Bogen
des Dohmes erscheint und
verschwindet
wie Geister ... « (Nachtwachen,
a.a.O., S. 121)
Wunderlich
auch die o-Klanglautung; Klingemann nimmt sie wieder bei der
Schilderung auf, wie 1819 unter Glockengeläut
der Kondukt des Herzogs um Mitternacht vor dem Dom eintraf:
»Die hohen Bogenfenster
des Domes strahlten wie von einem geisterartigen Glanze, und
Heinrichs eher-
ner Löwe stand ernst und bedeutungsvoll droben auf
seinem Fußgestelle, bald von dem Todtenfeuer
halb beleuchtet, bald
in die schwarz aufsteigenden Dampfwolken desselben verhüllt.
Von dem Balkon
des Viewegschen Hauses ertönte ein feierlicher
Trauerchor, als der Sarg vor dem Dom anlangte«.148
-------------------------------------------------------------------------------------------145 Ribbentrop, a.a.O. (Fußnote 127 auf S. 72), Bd. 1, S. 173ff.
146 Kunst und Natur, a.a.O. (Fußnote 23 auf
S. 22), Bd. 2, S. 444ff.
147 Quast, a.a.O. (Fußnote 138 auf S. 76), S. 13-19
148 Kunst und Natur, a.a.O., Bd. 2, S. 446
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