LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹
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Bildquelle: www.load.cd/sheetmusic/sm-31351_der_concertmeister.html
dem Jahre 1825 bietet der in Magdeburg weilende Direktor dem alten Freund an, mit ihm zusammen die Theaterreise fortzusetzen.99 Im Braunschweiger Stadtarchiv findet sich ein biographischer Abriß von Bornhardts Sohn, den dieser elf Tage nach des Vaters Tod 1843 niederschrieb:
»Der Dr. Aug. Klingemann war der speciellste Jugendfreund meines Vaters. Es rührte diese Freundschaft schon von ihren beiden Vätern her, welche gleichfalls Feunde waren. Klingemann ist derjenige welcher mir aus meiner frühesten Jugend her als der älteste Freund erinnerlich ist. Es sind mir die musikalischen u hauptsächlich aber die theatralischen Abend-Unterhaltungen welche Klingemann u mein Vater uns Kindern, Hausgenoßen u Nachbaren gaben, noch unvergeßlich; sie bestanden in den damals beliebten ombres chinois (chinesischen Schattenspielen) mit beweglichen Figuren, welche Klingemann selbst angefertigt hatte, theils aber in Vorstellungen auf einem kleinem Marionettentheater welches mein Vater fabricirt u wozu Klingemann die Dekorationen geliefert hatte, u wurden die Stücke mit Gesang (Guitarrebegleitung) zu großer Ergötzlichkeit der Zuschauer aufgeführt. Die Freundschaft mit Klingemann hat bis zu deßen Tode fortgedauert.«100
Zu der Bedeutung der Marionette für Bonaventura muß ich nichts mehr sagen, der gesamte Anfangskreis der »Nachwachen« steht in ihrem Bann; auf einzelne Vorstellungen und Spieler in Klingemanns Kinderjahren komme ich noch zurück. Schattenspiele waren sehr viel seltener, die Braunschweigischen Anzeigen enthalten nur für 1792 (15.8.) eine Ankündigung der – schon damals – »so beliebten ›Ombres chinoises‹«. Wie nahe die Erzählform des Schattenspiels dem Erzählen von »Nachtwachen« kommen kann, war mir 1973 in der ersten Identifizierungsphase Bonaventuras aufgegangen, als ich bei einigen Schriftstellern verweilte, die nach dem Exklusionsverfahren schon gar nicht mehr in Frage kamen: darunter »die wendige, wenn auch ziemlich kurzatmige Erzählhaltung für ›Reiseschatten (Von dem Schattenspieler Luchs)‹ (1811) (=Justinus Kerner), mit dem Darstellungsprinzip von ›Schattenreihen‹.«101
Bei den europäischen und besonders den romantischen Varianten des östlichen Schattenspiels scheint man gern und häufig Nachtszenen aufgeführt zu haben; Kerners »Reiseschatten« etwa und auch Mörikes »Orplid«-Spiel in »Maler Nolten« (1832) sind damit durchsetzt <...>
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99 Vgl. Paul Alfred Merbach, Aus den Briefschaften Gottlob Wiedebeins. In: Jahrbuch desGeschichsvereins für das Herzogtum Braunschweig (Wolfenbüttel), 1912, S. 75f.
100 Bornhardts Mappe befindet sich im Stadtarchiv Braunschweig (H VIII A: 470).
101 Vgl. S. 10 meines »Rohmanuskripts« von 1973