BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. ›L'ADULTERA‹
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Bildquelle: www.rositour.it/Arte/Tintoretto/Tintoretto.htm
denkbar fern. In kryptischer Lesart freilich ist
zu erkennen, daß Fontane hier sukzessive zu seinem
gewagtesten Modell der Verstecksuche
gefunden hat, zur (sexualsymbolisch verschlüsselten)
Zuflucht in den Mutterleib.
Wie in keinem der
Ehebruchsromane Fontanes wird in L'Adultera
der zentrale Konflikt schon gleich in der Eröffnung
derart massiv und schon beleidigend präsentiert, wenn der
Kommerzienrat seiner Ehefrau zur Einweihung in das van
der Straatensche Hausgesetz" die soeben angelieferte Kopie von
Tintorettos Ehebrecherin
präsentiert: "Die beständige Vorstellung des Todes
nimmt auch dem Tode schließlich seine Schrecken. Und
sieh, Lanni, so will ich es auch machen, und das Bild soll
mir dazu helfen ... Denn es ist erblich in unserm
Haus".38
Der Buchtitel L'Adultera
zielt nicht bloß auf das einfache Verhältnis
von (Vor-)Bildhaftem und von Nachfolge ab,
vielmehr auf eine Ästhetisierung des Ehebruchs selbst, die
diesen und ebenso die Zeit der Schwangerschaft
geradezu zu einer Komposition werden
läßt. Die immer wieder zwischen geistreichem
Zynismus und Rechthaberei schwankenden
Mutwilligkeiten des Ehemanns und
millionenschweren Liebhabers von
Gemälden folgen einem stilvollen Reglement,
so wenn das erste Diner in dem als Speisesaal dienenden
Vorzimmer der Gemäldegalerie wie in einem
Refektorium und zugleich lebemännisch dominiert
wird von einer Hochzeit
zu Cana39
(nach Veronese) sowie von zwei veristischen Stilleben mit
Hummer und Fisch: Schon bald steuern in diesem Saal
van der Straatens Anzüglichkeiten auf sein Lieblings- oder
vielmehr Hausthema der dubiosen
Schwangerschaft zu, ereifert er sich über die "warmen
Madonnen", "all diese spanischen
Immaculatas und Concepciones, wo die Mutter Gottes auf einer
Mondsichel steht ... Und so blickt sie brünstig oder
sagen wir lieber inbrünstig gen Himmel, als wolle die Seele
flügge werden in einem Brütofen von Heiligkeit."40
Auch in "Löbbekes Kaffeehaus" in Stralow ist es das
Gemälde einer – vermeintlichen –
Schwangerschaft, Pilotys Thusnelda
im Triumphzug des Germanicus,
das der Gemäldesammler zum spöttischen
Vergleich der Wirtin und ihres Söhnchens herbeizitiert:
"Bei Piloty gibt sich Thumelicus noch
als ein Werdender, während wir ihn hier bereits an
der Schürze seiner
Mutter hat-
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38
N IV, 88 bzw. 14
39
"Die Darstellung der Hochzeit
von Cana vermittelt
die bildgewordene Darstellung von der unter Christi Segen
geschlossenen und durch das Zeichen der
Verwandlung von Wasser in Wein noch befestigten Ehe. ... Für
Melanie, die das Bild stets direkt vor Augen hat, wenn sie
aus ihrem Zimmer tritt, vermittelt es als eine Art 'Predigt'
den Anspruch auf die
Erhaltung dessen, was das Bild moralisch
vorgibt." Winfried Jung, Bildergespräche.
Zur Funktion von Kunst und Kultur in Theodor
Fontanes 'L’Adultera',
Stuttgart 1990, S. 94
40
N IV, 27