KREUZGANGS LIEBLINGSORTE: (BURG-)DOMPLATZ UND (MARTINI-)FRIEDHOF
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Bildquelle (2009): www.flickr.com/photos/dropser/
Ehe von Klingemanns Schulzeit und ersten Begegnungen mit Literaten Braunschweigs zu sprechen ist, möchte ich in lockerer Verbindung dartun, wie die Stadt auch den »Nachtwachen« und vorab den beiden »Lieblingsörtern« Kreuzgangs Lokalkolorit gegeben hat. Dies allerdings nicht in der Erwartung, dergleichen stadtgeschichtliche Details, Topographien und Gepflogenheiten hätten sich geradewegs als Staffage für Kreuzgangs Rundgänge umsetzen lassen. Abgesehen davon, daß Klingemann gute Gründe hatte, das Pseudonym aufrechtzuerhalten und einer eindeutigen Rekonstruktion vorbeugen mußte, findet jede angestrengt positivistische Erwartungshaltung in der poetischen Imagination und Kombinationsfreude gerade dieses Schriftstellers peinliche Grenzen. Der Umstand freilich, daß sich der Verfasser der »Nachtwachen« mit Ausnahme der Jenaer Studentenjahre 1798-1801 durchweg in Braunschweig aufgehalten zu haben scheint, mag es rechtfertigen, unter den vielen Schichten seiner Dichtung den einen oder anderen biographischen Topos herauszulesen.
Beginnen muß ich mit dem überwältigenden Raumgefühl, wenn man vom Papenstieg her auf den Burgplatz einbiegt. Das Ensemble mit dem mächtigen Dom, der – öfter umgebauten – Burganlage Dankwarderode und dem Löwen Heinrichs auf dem Platz kann den Eindruck der allerersten Nachtwachen-Szene hervorrufen, eine verzauberte Stadt zu betreten, wo jedes Lebewesen in Stein verwandelt worden wäre, einen Eindruck, den Klingemann auch 1797 in der Anfangsszene der im 13. Jahrhundert spielenden »Asseburg« aufkommen ließ:
»Braunschweig.(Platz vor dem Schlosse Dankwarderoda. Links liegt die Kirche des heiligen Blasius. Der Platz ist an allen Seiten durch hohe Thore verschlossen, an denen Lanzenknechte die Wache halten. In der Mitte des Platzes steht auf einem Piedestale ein eherner Löwe, der vom Herzoge Heinrich dem Löwen errichtet wurde. Herrmann, der Hausmeier, lehnt sich traurig an das Fußgestell. Röttger, der Rüstmeister kommt über den Platz.)«
Röttger: »Hier ist's so still, als wäre ganz Braunschweig ausgestorben. – Ehemals war's ein Jubeln im Schlosse; die Rosse wieherten, Becher erklangen, die Knechte jauchzten; und nun schleichen sie umher, als sollten sie zu Grabe gehen, die Rosse hängen traurig die Köpfe, und in den Bechern liegt fingerhoch der Staub«.131
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131 Die Asseburg, a.a.O. (Fußnote 118), S. 15-18
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