BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. VOM VERSTECKSPIELEN ZUM KRYPTISCHEN ERZÄHLEN
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Bildquelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gensdarmes
Stationen
der Überwindung der Lebenskrise wie entlang der
Eva-Maria-Aussöhnung verlaufen und mit dem Armengottesdienst am
Ostermontag als Buß- und Wendepunkt für Melanie
abschließen, erweist sich die überlegen integrierende
Kraft des Zeitromans, der mit den christlichen Deutungsmustern sein
Spiel treibt, den Ehekonflikt aber im Grunde konform
den Spielregeln in diesen gesellschaftlichen Kreisen
mühelos beilegen kann.51
Der
religiösen Transzendenz wie zum Hohn läßt
sich der sexuelle Raub des Lieblingsverstecks als
Transaktion abwickeln; bis endlich die neue Familie aus der
Zwischenzeit ihres Berliner "Inkognitos"
(Kap. 19) heraustreten darf und, in zeitgemäßer Aufhebung der
Ausweisung aus dem Paradies, die „Gesellschaft
... das große Hinrichtungsschwert wieder in die Scheide" steckt
und die beiden "gesellschaftlich wieder
aufleben" dürfen.52
*
Der
Mutterleib als Ort des Sündenfalls sicherte hier zugleich effektiv
die Zuflucht für das Neue und erlaubte dem Paar so
etwas wie die Unschuld einer Zwischenexistenz oder sozialer
Zeitenthobenheit. Schach
von Wuthenow. Erzählung aus der Zeit des Regiments Gensdarmes
(1882)
vertieft die ästhetisch inspirierte
Suche nach einer unzeitgemäßen Existenzform. Transzendiert wird
hier nicht bloß der vorübergehende
gesellschaftliche Tod, sondern der einer ganzen Zeitepoche und
sogar, der Tendenz nach, der steril gewordene
Ordnungsbegriff des "Zeithorizonts" selbst. Die
Korruption des nachfridericianischen
Militärs und die im Horizont von Jena und Auerstedt
besiegelte Untergangsreife dieser
Gesellschaftsform ist ausgemacht und bedarf
erzählerisch nur der Skizzierung solch eitler Albernheiten
wie der "Sommer-Schlittenfahrt", mit der sich die
Offiziere des damaligen Eliteregiments ins
Stadtgespräch bringen wollen. Das Hauptinteresse
des Erzählers aber gilt Schach als einer
gebrochenen Figur, die in der Konventionalität
ihrer politischen Überzeugungen,
ihrem Bedürfnis nach traditionsbewußter
Repräsentation wohl zu jener Clique gehört, in ihrer
ästhetischen und zölibatären
Berührungsscheu sich aber der eigenen
Lebensgrundlage als Offizier entfremdet
und von ihrer Zeit abkapseln läßt.
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51
"Fontane hat einen seinerzeit stadtbekannten Berliner
Gesellschaftsskandal, nach dessen Fortgang sich sogar der
Reichskanzler zu erkundigen pflegte, aufgegriffen und
… weitgehend den Umständen getreu verarbeitet
… Der kunst- und sinnenfrohe Louis Revené ist
dem flüchtenden Paar an den Genfer See … nachgereist und
hat versucht, seine Frau zur Rückkehr zu bewegen, und
dies unter gleichzeitiger Präsentation eines
kostbaren Halsschmucks und der Versicherung,
er wolle alles vergessen und das … Kind …als
sein eigenes adoptieren". Irmela von
der Lühe, "Wer
liebt, hat recht." Fontanes Berliner
Gesellschaftsroman "L'Adultera".
In: Fontane-Blätter,
Heft 61 (1996), S. 116-133; Zitat S. 120f. 52
N IV, 106 und 121