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BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. GRETE  MINDE

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     "Ich ... mußt an alte Zeiten denken, und an den Sommer, wo ich auch dreizehn war und mit Hans Hen­sen Verste-
     ckens spiel­te und eine geschlagene Glockenstunde hinter dem Rauchfang saß, Hand in Hand, und im­mer nur in
     Sorge, daß wir zu früh ge­fun­den, zu früh in unserem Glücke ge­stört werden könn­ten."
3


Mit diesen Worten kommentiert in Grete Minde (1880) Valtins Stiefmutter Em­rentz die Sze­ne zwi­schen den Kindern, die sie soeben – wie auch nebenan Gretes mißgünstige Schwägerin Trud – be­lauscht hat. An­gesprochen wurde das Mo­tiv des Verstecks schon in dem Eröffnungsdialog der No­vel­le, als Val­tin gegen Truds Verbot seine Freundin zu dem ver­bor­ge­nen Hänf­lingsnest in sei­nen Gar­ten her­über­zulocken sucht. Wie die beiden dabei vom Erzähler zum erstenmal vor Au­gen ge­führt wer­den, bis über die Brust von Him­beerbüschen umwachsen, korrespon­diert mit dem Nest­ver­steck und ist ein Sehn­suchts­bild kind­li­cher Ge­borgenheit. Diese wird zwar gleich darauf von Val­tin in Fra­ge ge­stellt, aber so, daß der Sehn­suchts­cha­rak­ter nur um so maliziöser gesteigert wird: "Un­se­re Müt­ter sind nicht so bang um uns", fin­det Val­tin, als der Vo­gel sei­ne beiden Jungen um­kreist, be­merkt dies al­so in Ge­gen­wart je­ner versteckten und jeweils hö­her po­stier­ten Au­gen­zeu­gen.

    Fontane pflegt für Szenen wie diese zwar in die eigene Lebensgeschichte ein­zutauchen, sie aber im Er­zähl­vorgang im­mer schon dem Verständnis und Le­bensgefühl seiner Figuren anzuverwan­deln. Hier er­wei­tert er das Versteckmotiv, das ihn in sei­nen Kin­derjahren als Einzelgänger im Versteck zeigt, ganz im Sin­ne der bei­den Stiefkinder, ihrem noch kind­li­chen Ver­lan­gen nach Nest­wärme und ih­rer neu und im­mer stärker aufkommenden erotischen Zuneigung. Grete sel­ber hat ih­ren Le­bens­kampf im Zeichen des Engels zu bestehen. In jener Vo­gelszene am Hänflingsnest kündigte sich dies zart an und soll sich dra­stisch er­fül­len, wenn sie am Ende wie ein biblischer Racheengel über ih­rer Hei­mat­stadt ste­hen wird. Denn wie ih­re frem­de katholische Herkunft in einem fort re­li­gi­ö­se Be­spit­ze­lun­gen und Indoktrinationen pro­vo­ziert, so sucht Gre­te ihrerseits Zu­flucht zu einer re­li­gi­ö­sen Bil­der­welt, die zwi­schen katholischer und altheidnisch-mär­ki­scher Tra­di­ti­on schwankt. Das er­ste stärk­ste Ge­gen­bild zu dem Feuer und Flammen speienden lutherischen Pfar­rer Gi­gas fin­det Gre­te in dem "Jüng­sten Ge­richt", das die fahrenden Puppenspieler im Tangermünder Rathaus auf­füh­ren. Die drei­ge­teil­te Büh­ne mit einem "treppenförmigen Mittelraum" ist nach dem Vorbild ei­nes Flü­gel-Al­tars kom­po­niert, des­sen Mit­tel­schrein Christus und Ma­ria beim Weltgericht zeigt, wäh­rend auf den Seiten­flü­geln Him­mel und Höl­le mit je­wei­li­gem Ge­fol­ge angesiedelt sind.4 Gretes glühende An­teil­nah­me an der Szene, in der ein ver­welt­lich­ter Priester ver­wor-

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3 Theodor Fontane, Sämtliche Werke. Hrsg. E. Groß, K. Schreinert u.a. ("Nymphenburger Ausga­be"), München 1959ff. (Ich zi­tiere als: N; dann Bandzahl, Seitenzahl); N III, S. 13        4  N III, 17f.


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