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MERLIN ODER DER ALTE GOETHE
DIE LETZTEN JAHRE 
(1823-32)

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Bildquelle: Bd. 38 der Frankfurter Goethe-Ausgabe, hg. v. Horst Fleig, a.a.O. (s. Anm. S. 1), Abb. 12

 


Im August 1831 be­gibt sich Goethe mit sei­nen En­keln nach Ilmenau am Fuße des Kickelhahns. Am Vor­abend sei­nes letz­ten Ge­burts­tags fährt er in Begleitung des Ilmenauer Amtmanns Mahr auf den Berg, um seine vor über 50 Jah­ren an die Bret­ter­wand des Jagd­häus­chens ge­schrie­be­nen Ver­se wieder zu lesen. Das ist die Le­bens­tie­fe der selbst­ge­pflanz­ten und un­heimlich gewordenen Bäu­me im Ilm­park. Und auch die Verse von ei­ge­ner Hand, die ihm jetzt wie na­tur­wüch­sig und erschütternd wie­der ent­ge­gen­tre­ten, haben ein Eig­en­le­ben ge­won­nen. Die bei­den Schluß­ver­se, die Goe­the wie­der­holt: »War­te nur, bal­de ‹...›«, ha­ben den­sel­ben Wort­laut und be­deu­ten ihm doch et­was anderes; das »Du« ist kaum mehr das da­mals an­ge­spro­che­ne, mit dem da­mals Spre­chen­den iden­ti­sche, es ist vielmehr das ge­gen­wär­ti­ge, das im Be­wußt­sein der ver­flos­se­nen un­ge­ahn­ten Zeit zu­hört.

   Der nach Weimar Zurückgekehrte schreibt mehreren Freunden von diesem Geburtstagsbesuch Ilmenaus. Nur Zel­ter erfährt dabei noch von dem Kickelhahn-Besuch, für die anderen wird der Blick wie in Dornburg fei­er­lich auf die in Il­men­au und in den Berg­wäldern Lebenden gelenkt, die sich trotz mancher Fehlschläge und Ent­beh­run­gen in ih­rer her­kömm­li­chen, ihm seit langem vertrauten Lebensweise zu behaupten wüß­ten. Und auch ein ge­ne­a­lo­gi­sches Band wird ge­knüpft, durch die En­kel, die ihn be­gleiten sollten, »um die Gei­ster der Ver­gan­gen­heit durch die Ge­gen­wart der Heran­kommenden auf eine gesetzte und gefaßte Wei­se zu be­grü­ßen« (7.9.1831 an Rein­hard). Hier wie dort Ab­schieds­bil­der, die an die Aufhebung des In­di­vi­du­el­len in das nur so ver­nünf­tig über­dau­ern­de Allgemeine appellieren; die aller­dings in ihrer Er­ha­ben­heit we­der Brü­che und Un­ge­reimt­hei­ten in der Über­lie­fe­rung erkennen lassen noch andeuten, in­wie­fern das auf­zu­he­ben­de Al­te dabei noch seine un­er­le­dig­ten und über­gan­ge­nen Ein­sich­ten und Im­pul­se wei­ter­ge­ben könn­te. Wie­viel Goe­the dar­an aber lag, mö­gen noch zwei an­de­re The­men­be­rei­che zei­gen, die ihn schon seit Jahr­zehn­ten be­schäf­tig­ten, aber erst jetzt von ihm als re­bel­li­sche To­des­bil­der ent­deckt werden: archäolo­gi­sche Aus­gra­bun­gen und Fos­si­li­en­fun­de.


Seit 1827 haben ihm F.W. Ternite und W. Zahn ihre Durchzeichnungen von Wandgemälden aus Pompeji und Her­cu­la­ne­um vorgelegt. Im Brief vom 19.10.1829 an Zelter nähert sich Goethe dem Thema, indem er zu­nächst die Ab­sur­di­tät der Gegenwart beklagt, der gewöhnlichen, alle idea­len Verhältnisse zerstörenden Prä­senz; bei Zel­ters jüng­stem Be­such habe er dies wieder einmal erfahren müssen. Wie unvermittelt er­zählt er ihm dann von »dem Wun­der­sam­sten des Altertums«, der »tüchtigen«, unversehrten Existenz die­ser aus­ge­gra­be­nen Kunst­ge­bil­de nach bei­na­he 2000 Jahren und dem dadurch erweckten Gefühl, daß der »Au­gen­blick« nur »präg­nant und sich selbst ge­nug« sein müsse, um gegen die Zeit bestehen zu können.


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›Über allen Gipfeln ist Ruh ...‹:
Bleistiftinschrift Goethes aus dem Jahre 1780 (1813 von ihm erneuert) an der Bretterwand des Pirschhäuschens auf dem Kickelhahn
Photo von 1869, ein Jahr vor der Zerstörung der Hütte durch Brand
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