Analoges läßt sich für seine kryptische Phantomsprache verfolgen, da Fontane
seine über Jahrzehnte hin so rigide Tiefentektonik allmählich abbaut
und sein eigenes Erzählen schließlich zeitgeschichtlich neu
einordnen kann:
Im Stechlin (1898) hat er sich zum zweitenmal, 16 Jahre nach Schach von Wuthenow, als Erzähler selber in den erzählten – in der Gegenwart sich andeutenden – Zeitenumbruch hineingenommen;
hat, so meine Interpretation, das zentrale Symbol dieses noch
"stumm" daliegenden Sees, der mit seiner Fontäne-Stelle des "Roten
Hahns" für die Besuchergruppe (im 28. Kap.) wie erstorben unter dem
Eise daliegt, sowohl für die heraufkommenden
sozialpolitischen und kulturellen Gegenkräfte als auch für die
eigenen unterschlagenen Verlautbarungen bereitgehalten. In
dieser Identifizierung liegt eine äußerste Solidarität zwischen
Zeitromancier und Zeit. Sie ist freilich utopischen Charakters,
denn nie und nimmer war das, was da eines Tages mit der
Stechlin-Fontäne über alle Erwartung aufleben sollte, als bloße
Umsetzung schon bereitliegender Gestaltungen zu denken. So
sehr auch Fontane auf die Bebelsche Sozialdemokratie zu setzen
hatte, die es als einzige Avantgarde aufnehmen konnte mit der
destruktiven Kraft und Entschlossenheit seiner kryptischen
Sprachdimension, so vorläufig müßte doch jede
gesellschaftliche Umwälzung selber bleiben, da das Grundproblem
der unentfaltet gebliebenen geschichtlichen Dimensionen, zu
denen auch die eigenen unterschlagenen Textschichten gehörten,
noch nicht gelöst wäre. Jedenfalls
legen sich all die so lange folgenlos gebliebenen
Zeitdiagnosen Fontanes und anderer Literaten wie
Klingemann-"Bonaventura" quer zur Folgerichtigkeit von
Tradition, widerrufen im Moment ihrer Entzifferung nicht bloß
Dichte, Geschlossenheit und eindeutigen Zeitwert der
"zwischenzeitlichen" Ereignisse, sondern geben in sich eine
phantomhafte, geschichtlich derealisierte Dimension von
Zeit zu erkennen. Was vorbei ist, hat Wesentliches
unausgetragen behalten müssen, und was an der Zeit, ist es so
immer nur als Diktat gründlicher Unterlassungen.
Dies ist mit den immer noch vorherrschenden Auffassungen, wie
sich die Traditionsbildung ereignet, nicht zu vereinbaren.
Pflegen sie doch im Verfolgen von Auswirkungen und Anregungen
nur eben die solidesten solcher Behelfs- und Notkonstruktionen
aneinanderzureihen und sich auch bei sogenannten
Renaissancen, indirekt eintreffenden Fernwirkungen und
Neuentdeckungen ihres roten Fadens immer schon relativ sicher
zu sein. Polemisch
auszubilden gegen die verführerische Vorstellung einer stetig
sich anreichernden Geschichte wäre der Sinn für
chronologische Brüche, für Steckengebliebenes und
Verstecktes. Will
der Prozeß der Traditions- und Erinnerungsbildung nicht länger
ein Erschleichen der kürzesten Verbindungswege hin zur
Gegenwart sein und dabei die verdunkelten und unverständlich
gebliebenen Ereignisse und Texte aufopfern, dann hat er sich zu
öffnen für den großen Gewalt- und