Home
Impressum
RUTH FLEIGS GALERIE
Schulkinder malen
Bilderbuch Rob. Rabe
Kritzel-Kratzel
HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI Germanistisches
A DER ALTE GOETHE
Briefpartner
Briefkunst
Gesprächspartner
Goethes Tagebuch
Schatten des Todes
Ausg. letzter Hand
Weltliteratur
Geistig vereinsamt
Sekretieren
Erinnerungsschocks
Sich-historisch-Sein
›Warte nur, balde‹
Kollektivwesen Genie
Hypsistarier Goethe
B ZU THEODOR FONTANE
Herr von Ribbeck
Grete Minde
Ellernklipp
Unt. Birnbaum. Quitt
L'Adultera
Schach von Wuthenow
Gegenzeitigkeit
Zur Stechlin-Fontäne
C ZU »BONAVENTURA«
Literar. Identität
Mikrostilistik
Exlusionsphase
›Memnon‹-Nacht
Name und Maske
D ZU AUG. KLINGEMANN
Kandidatenreigen
Sprachstatistiken
K-s Artikel und ›Nw‹
Datierungstabelle
Arnims Nachtwache
Nacht bei Klingemann
Pseud. Bonaventura
Demiurg Shakespeare
Maske »Bonaventura«
»Parallelen«-Debakel
Mimetisches Genie
Prometheus Theater
Braunschweiger Vita
Vampirismus
Zwei Lieblingsorte
Collegium Medicum
Freigeist Lessing
Mentor Eschenburg
Alessandro-Kreuzgang
Postskripta 2011


LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 

________________________________________________________


Burath: »Die hier und da geäußerte Ansicht, in dem Namen Klingemann rühre die erste Silbe von der Klin­ge = Schwert­klin­ge her, ist irrig. Älter und früher als die Schwertklinge war das Klingen (= Tö­nen, Rau­schen). Klin­ge heißt im Mit­telhoch­deut­schen eine von dem Rauschen, Sausen und Brau­sen (d. h. Klin­gen) ei­nes Baches, eines Wasserfalls, ei­ner Strom­schnel­le oder Furt widerhallende Schlucht.«87 Der ety­mo­lo­gi­sche Hin­ter­grund war Klingemann an­schei­nend wohl­be­kannt, selbst­iden­ti­fi­zie­rend aber woll­te er die­se Namensbedeutung, die ihm so vielleicht zu na­tur­nah war, nicht ge­brau­chen. Statt­des­sen er­wähl­te er sich zur Selbst­iden­ti­fi­zie­rung und -sti­li­sie­rung das künst­li­che und vor­nehm­lich künst­le­risch-musikalische »Klingen«. Er bewegte sich dabei zwischen dem Extrem der Emp­fäng­lich­keit oder Re­so­nanz (das in der Mem­non-Figur von 1800 kulminiert) und dem ande­ren Ex­trem des Trot­zig-Wi­der­spen­sti­gen: Zu den­ken ist hier­bei an die klin­genden Schellen des Narren Hans­wurst, der im Gleich­nis des »Pro­logs« sel­ber vom Le­ben spricht als dem

         »Schellenkleid das das Nichts umgehängt hat, um damit zu klingeln und es zulezt grimmig zu zerrei-

           ßen« und der in der 15. Nachtwache »als Freiheit und Gleichheit, lustig Menschenköpfe, statt der

           Schellen, schüttelte«.88


Auch Kreuzgangs Lauf durch die Tonleiter (»Mein Gemüth ... das einem mit Vorsatz widersinnig ge­stimm­ten Saiten­spiele gleicht«), diese Selbstbefragung, die mir schon früh wie eine ver­steckte Selbst­vor­stel­lung von »Klin­ge­mann« vorkam, wendet sich merkwür­dig genug wieder dem Schel­len­ge­klin­gel der um­tan­zen­den Fastnachtsspieler des Lebens zu und vermag so die Erfahrung des in sich nich­ti­gen Ich als ein ein­zi­ges Verklingen der »Memnon«-Zeit dazustellen:

        »Und die Lar­ven drehen sich im tollen raschen Tanze um mich her - um mich der ich Mensch heiße -

          und ich taumle mitten im Kreise ... könnt ihr mir nicht zu meinem Leibe verhelfen, und schüttelt ihr

          immer nur Eure Schellen, wenn ich denke es sind die meinigen? - Hu! Das ist ja schrecklich einsam

          hier im Ich, wenn ich euch zuhalte ihr Masken, und ich mich selbst anschauen will - alles verhallender

          Schall ohne den verschwundenen Ton... das ist wohl das Nichts das ich sehe!«89 

-------------------------------------------------------------------------------------------

87  Hugo Burath, a.a.O. (Fußnote 84 auf S. 58), S. 208

88  August Klingemann, Nachtwachen von Bonaventura (Penig 1804), zitiert nach der Ausg. von Jost Schillemeit (Frank­furt/Main 1974), die sich in Wortlaut, Orthographie und Interpunktion nach dem Erstdruck richtet; S. 107 und S. 177.

89  11. Nachtwache, in: Nachtwachen, a.a.O., S. 128-131

- 60 -
ZurückWeiter
Top
http://www.fleig-fleig.de/