DER VERNICHTUNGSTRAUM: ENDPUNKT DES CARTESIANISMUS
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Verfassung
des menschlichen Bewußtseins zuzuwenden.49
In der
14. Nachtwache aber wird dies versteckteste
theologische Residuum, das »reine« Ich oder die
»absolute Tathandlung« Fichtes als
das monströse Denkergebnis dessen erfahren,
der zur Selbstsicherung alles Fremde systematisch
von sich gehalten hat und zuletzt panisch sich um sich selber
bewegen muß. Ophelia selbst stößt nicht mehr auf
das Nihilistische solcher Ich-Suche - sie will ja
desorientiert bleiben bis in den Tod - sondern
Kreuzgang in dem großen Vernichtungstraum, der sich auf
wunderbare Weise auf die Sterbende, das
tote Kind Gebärende eingestellt hat. Träumend kommt er dem
Imperativ zur Selbstreflexion
nach, der seit Descartes' Anspruch, unter Bedingungen sogar
des Traums das Ich als fundamentum inconcussum
gewinnen zu können, das neuzeitliche
Denken beherrscht hat. Kreuzgang in der 14. Nachtwache
(a.a.O., S. 168f.):
»Es dünkte mich, als
entschliefe ich. Da sah ich mich selbst mit mir allein im Nichts, nur in der
weiten
Ferne verglimmte noch die letzte Erde, wie ein auslöschender Funken -
aber es war nur ein Gedanke
von mir, der eben endete. Ein einziger Ton bebte
schwer und ernst durch die Öde - es war die ausschla-
gende Zeit, und die
Ewigkeit trat jetzt ein. Ich hatte jezt aufgehört alles andere zu denken, und
dachte
nur mich selbst! Kein Gegenstand war ringsum aufzufinden, als das große
schreckliche Ich, das an sich
selbst zehrte, und im Verschlingen stets sich
wiedergebar. Ich sank nicht, denn es war kein Raum
mehr, eben so wenig schien
ich emporzuschweben. Die Abwechselung war zugleich mit der Zeit ver-
schwunden,
und es herrschte eine fürchterliche ewig öde Langeweile. Außer mir, versuchte
ich mich
zu vernichten - aber ich blieb und fühlte mich unsterblich! - «
Descartes'
Methode, im Denken zweifelnd die Außenwelt als unzuverlässig zu
eliminieren, kehrt entwickelt in Fichtes
»Wissenschaftslehre«
wieder, wo sie als »abstrahierende Reflexion« so vorgestellt
wird:
»Irgendeine
Tatsache des empirischen Bewußtseins wird aufgestellt; und es wird
eine empirische Be-
stimmung
nach der andern von ihr abgesondert, so lange, bis dasjenige,
was sich schlechthin selbst
nicht
wegdenken und wovon sich weiter nichts absondern läßt, rein
zurückbleibt.«50
Dies nicht
Wegzudenkende, da allem Bewußtsein Zugrundeliegende,
Selbstbewußtsein, das in der reinen Agilität
einer Tathandlung nie als Tatsache zu erfahren sei, das
entpuppt sich für Kreuzgang, der das Verfahren des
»Wegdenkens«
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49
Vgl. Karl Löwith, Gott, Mensch und Welt
in der Metaphysik von Descartes bis zu Nietzsche
(Göttingen 1967).
50 Johann Gottlieb Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794). Zitat nach: Philosophische Bibliothek Bd. 246 (Hamburg 1961), S. 12
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