LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS ›NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA‹
________________________________________________________
sche französische Schauspiel findet noch Gnade, und aus den schon zornigen Schlußsätzen über die Braunschweiger spricht nun doch der Kenner eher als der Zugereiste: Nach Messeschluß herrsche »hier ein ziemlich langweiliger Ton ... alles Originelle wird ... gehaßt, ein Paar todte Regeln gelten für Geschmack«.
So hat er sich dieser Auftragsarbeit für die Elegante doch noch mit Anstand entledigen können (allerdings bei den musikalischen und literarischen Neuigkeiten ausschließlich Arbeiten des Freundes Bornhardt und des Onkels Campe aufgeführt).
Zum erstenmal hat Klingemann auch die Technik erprobt, prononciert in den Raum des Geschehens (der Zerstreuung, der Nacht) hinauszutreten und sich für ein neues Kapitel wieder daraus zurückzuziehen und zu sammeln. »Folgen Sie mir jetzt aus meiner Wohnung und begleiten Sie mich ins Freie./ Erster Ausflug./ Wir stürzen uns mitten in das Gewühl ... Lassen Sie uns ... wieder hinabsteigen, und unsre Wohnung suchen. / Zweiter Ausflug./ Die Hitze hält uns den ganzen Tag gefangen ... Womit beschäftigen wir uns so lange?« (mit Büchern, wie in der 5. Nw). Von dem mißmutigen Übergang vom fünften zum sechsten Ausflug drohte schon etwas gegen Ende des vierten Ausflugs, um einmal noch durch magischen Laut beigelegt zu werden: »Über Politik wird hier viel radottirt, um die Literatur bekümmert man sich dagegen wenig, und der wahre Braunschweiger hat überhaupt das Prinzip, daß es um dasjenige, wovon er den reellen Zweck nicht mit Händen greifen kann ... eine eitele Narrenposse ist. Allmählig, je weiter es in die Nacht kommt, löst sich die Menge auf, die Musik schlummert ein, die Lichter erlöschen und das Horn des Wächters überruft den letzten Laut des Orgelmädchens.«
Wie weit Klingemann sich dem Nächtlichen verschrieb, wird deutlicher noch, wenn wir im Überblick kurz die Erzählanfänge und Prologe seit 1800 verfolgen. An erster Stelle ist die Zeitschrift »Memnon« zu nennen, die er unter eigenem Namen herausgab und für deren Titelbild, den nächtlich der Morgenröte und Neugeburt entgegenharrenden Memnon, er die Prologzeilen schrieb:
»Welch leises Wehen durch den dunklen Himmel!/... Und tiefer regt sich's unten in der Nacht
Und streitet ringend mit dem neuen Leben./ Der kalte Sohn stützt seine starren Hände
Gewaltig auf den rauhen Stein, und strebt/ Sich aus der dunklen Nacht hervorzuheben«.24
-------------------------------------------------------------------------------------------
24 Memnon. Eine Zeitschrift. Hg. von August Klingemann (Erster Band, Leipzig 1800), S. 3; 1971 als Reprint (Nendeln/Liechtenstein) erschienen. Siehe dazu auch das Titelbild von Memnon.
- 24 -