Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/64/Braunschweiger_Messe_um_1840_-_Kohlmarkt.JPG
Charakterisierung etlicher französischer Theater und ihrer Stücke noch die äußere
Situation um ein Krankenlager her gewählt hat,
mit leicht allegorischer Überhöhung der
verschiedenen Personen
(die Kranke,
der Erzähler, die Gesunde, der Schreiber,
der Weltfreund, ein Hauskobold schließlich). Dies ist ja
nicht das Situationsbild, von dem
Klingemann alias »Bonaventura«
für die
»Nachtwachen«
ausgeht
(abgesehen davon – eine
kleine Hommage an Arnim? –,
daß die erste Nachtwache
um einen Todkranken, den sterbenden Freigeist kreist). Vielmehr
ist es das schon 1802 für die Messe gebrauchte Bild,
das eines umherstreifenden und sich wieder
zurückziehenden Beobachters:
»Gemählde
der Braunschweiger Sommermesse 1802.«
Er setzt recht
zweideutig ein, wohl um die Anonymität nicht aufs Spiel zu setzen:
»Ich reisete nicht in merkantilischer Hinsicht
zu dieser Messe...« (was er als Braunschweiger wahrlich nicht
nötig hatte), »vielmehr will ich Ihnen ein allgemeines
Gemählde von Braunschweig zu dieser Zeit entwerfen und Sie
auffodern, mich auf meinen Spaziergängen zu
begleiten.« Wie
Kreuzgang seine nächtlichen Gänge oder »Nachtwachen«
wiederholt mit Gemälden oder »Nachtstücken«
vergleicht, so werden hier die »Gemählde«-Ausschnitte
der Messe in Form von sechs »Ausflügen« erzählt
(»Erster
Ausflug« usw.). Schon
hier ist es eine Ausnahmezeit, eine
positiv gesteigerte freilich, denn »eine Messe ist mir
gleichsam ein festlicheres Bild des Lebens,
die allgemeinen Verhältnisse sind mir höher gerückt. Alles
greift frischer in einander ... «:
Flüchtig
wird das Warenangebot in den Buden und auf einer Galerie
durchlaufen, in einer Rotunda läßt er sich das
illusionistische Panorama von Toulon
zeigen und stellt sich uns dann als raffinierter Flaneur vor, der
sich bei seinen Streifzügen gern auch vom Zufall leiten
lasse. Doch all die Attraktionen und Amüsements wie das
noch im Bau befindliche »Kolosseum« des
Vieweghauses, Illuminationen mit den »Töchtern der Freude«
im Mittelpunkt, ein Besuch im Schauspielhaus
(»Die
deutschen Kleinstädter«
Kotzebues
seien in dieser tristen Umgebung am Platz), ein
Kunstkabinett im kleinen Theater eines
Kaffeehauses (»mechanische Figuren,
ein aerostatischer Reiter, optische Erscheinungen,
alles das fliegt luftig an uns vorüber«), eine
Promenade um den Wall, ein sogenannter medizinischer
Garten, –
das
reicht ihm endlich, »man ärgert sich über die leeren
Vergnügungen, so wie ich mich auch jetzt schon bei der
Beschreibung zu ärgern anfange. Man möchte
der Musik den Mund verstopfen und wünscht, daß sich die Arien
aus dem Donauweibchen
...
nur endlich einmal dem Teufel verschreiben möchten ... Man
nimmt sich vor, nur noch den sechsten
Ausflug
zu beginnen und dann sich wieder in seine Einsamkeit
zurückzuziehen.« Nur das poeti-
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