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LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS
NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 
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Bildquelle: www.luniversum.de/images/Braunschweig/Loewe.jpg


Klingemann nimmt den Löwen hier als Stellvertreter des damaligen Her­zogs, der auf ge­fähr­li­chen Kriegs­pfa­den sei, abwesend und doch so präsent, daß es den traurigen Haus­mei­er am Pie­de­stal über­läuft: »Es ist mir, als schweb­te die Gefahr über mir selbst«. Das ist der An­flug des Bö­sen und die Er­in­ne­rung dar­an, daß der wa­chende Löwe einst ja sa­gen­haft mit den von Kreuz­gang evo­zier­ten bö­sen Gei­stern zu tun und des Her­zogs See­le ge­ret­tet hat­te. Mu­sä­us des­sen Grab­stätte in Weimar Klin­ge­mann spä­ter auf­su­chen wird er­zählt in »Me­lech­sa­la« (1788), wie der Teufel Heinrich und sei­nen Lö­wen »in ei­ner Nacht, vom ly­bi­schen Ge­sta­de gen Braun­schweig, die hochgebaute Stadt« ge­führt ha­be. Der höl­li­sche Greif mit Fle­der­maus­fit­tich »setz­te seine Bür­de wohl­be­hal­ten mit­ten auf dem Markt­platz ab, und ver­schwand, als eben der Wäch­ter ins Horn stieß, um die Mit­ter­nacht­stun­de ab­zu­ru­fen.« Bei der rä­chen­den Wiederkehr des Herzogs, eines zweiten Odys­seus, »brüll­te der Lö­we, wie wenn sie­ben Don­ner ih­re Stim­me hö­ren las­sen«.132


Der subjektive Eindruck von versteinertem Leben läßt sich durch eine sub­tile ar­chi­tek­to­ni­sche Stu­die er­här­ten. Nach Beobachtungen von Reinhard Liess (1968) er­scheint am Turm­werk des Do­mes »die Front­ebe­ne bug­ar­tig vor­ge­drängt und spannt sich wie ei­ne Brust durch das Zu­rück­neh­men der Schul­tern«. »Turm­werk und Lö­we sind ... mit­ein­ander ver­wandt. Auch der Lö­we er­hebt sich man könn­te sa­gen: wie die Turm­ok­to­go­ne auf ei­nem turm­ar­ti­gen Auf­bau ... Wie die Ecken des Turm­werks sind auch die des Pfei­lers mit (vier) Dien­sten ver­stärkt, die, in­dem sie kon­ver­gie­rend die Auf­wärts­rich­tung schär­fen, dem kraft­voll sich re­cken­den, vier­bei­ni­gen Kör­per des Herr­scher­tie­res sich ent­ge­gen­straf­fen«. Ähn­lich wie vor der West­front des Do­mes müs­se »der­je­ni­ge, der fron­tal vor bzw. un­ter dem Lö­wen steht, ganz un­ver­mit­telt die Wucht des bug­ar­ti­gen Vor­drin­gens des hoch über ihm em­por­ra­gen­den Tier­lei­bes empfinden«. Zum Ab­schluß ver­weilt Liess bei der be­deu­tungs­vol­len »Form­tat­sa­che«, 

»daß das Turmwerk mit dem Glockenhaus ein rückseitiges Gesicht erhält, das an der räum­li­chen Gestaltung der Burg teilhat. Der Fernblick des Löwen wird gleichsam ins Ar­chi­tek­to­ni­sche, al­so in die Oberzone der Turmanlage transponiert, die mit der Pracht des Maß­werk­fen­sters über den Burgbezirk hinaus in die Tiefe der umgeben­den Stadt hin­ein­wirkt.«133

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132  Johann K.A. Musäus, Volksmährchen der Deutschen, Teil 5 (Gotha 1788), S. 34ff. - Zu Klin­ge­manns Be­such der Grab­stät­te von Musäus vgl. Kunst und Natur, a.a.O. (Fußnote 23), Bd. 1, S. 467

133  Reinhard Liess, Die Braunschweiger Turmwerke. Eine Charakteristik ihrer Gestalt und städ­te­bau­li­chen Be­deu­tung. In: Festschr. W. Gross (München 1968) , S. 94ff.


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Braunschweigs Burgplatz mit dem Dom

 

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