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LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 

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keit, die Zeit sel­ber hat in sei­nem Werk vam­pi­ri­sche Qualität. Am deutlichsten tritt dies in der promi­nen­te­sten und wohl äl­te­sten Gestalt unter den Untoten hervor, im Ewigen Juden, der in der Spe­zi­al­li­te­ra­tur auch als »spi­ri­tu­el­ler Vampir« ab­ge­han­delt wird.129 In Klingemanns »Ahasver« (1827) treibt er den Mör­der Gu­stav Adolfs, sich den Schwe­den zu stel­len. Als »ver­fluch­ter Höl­len­dä­mon« aus der »Un­ter­welt«, der beim An­blick des Kruzifixes zu Bo­den sinkt und ge­gen den man wie zur Wolfs­jagd los­zie­hen kann, hat Ahas­ver merk­lich Zü­ge des Wiedergängers aus dem Volks­glau­ben. Dar­über­hin­aus wird der Ewi­ge Jude, der schon in der 4. Nachtwache mit der Zeit selbst verflochten  erscheint, in diesem spä­ten Trau­er­spiel Klin­ge­manns zum Protagonisten der alles verschlingenden Zeit:


    »Schließt Eure Thore, Herr, vor diesem Wesen,/ ... Es ist die Zeit, das Böse,/ Das nimmer ruhet und beruhigt wird!«

    »Und werde wandeln bis zum letzten Tage,/ Leblos und lebend, das Gespenst der Zeit,/ Die ohne bösen Willen, Bö-

     ses thut,/ Und Alles ruhig um sich her vernichtet.« In: Ahasver, Trauerspiel (Braunschweig 1827), S. 41f. und 122)


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Um von den Volks­sa­gen oder auch den Wappenmotiven so beeindruckt werden zu können, bedarf es schon einer un­ge­wöhn­li­chen eigenen mimetischen Dis­po­si­ti­on. Ein in­nerer Zusammen­hang zwischen Vampirismus und Mi­me­sis ist nun al­ler­dings un­ver­kenn­bar. For­mu­lie­run­gen wie die von dem »vampiristischen Rol­len­er­leb­nis Ophe­li­as« (im An­schluß an Romanos Wort: Es »ge­hen die frem­den Geister wunder­bar durch mein Le­ben«) la­gen oft na­he ge­nug. Wäh­rend Romano in dieser sei­ner »fürch­ter­li­chen Emp­fäng­lich­keit« eben­so wie Ophe­lia, die vom zwei­ten Schöpfer Shake­speare in ihre Rol­le gebannt wird, noch als Op­fer er­scheint, wei­sen an­de­re Aus­sa­gen auf den eigenen, aktiven Vam­pi­ris­mus hin (»daß ich mich oft aus mir selbst ver­lie­re und in ei­nem an­deren Wesen wiederfinde«).130 Auch muß ich kaum noch auf das »nächt­lich«-­mi­me­ti­sche Ver­hal­ten Kreuz­gangs und auf seine ausdrücklichen Ver­bin­dun­gen mit dem Wie­der- oder Dop­pel­gän­ger­mo­tiv auf­merk­sam ma­chen, auf die verschiedenen Ver­wech­se­lungs­sze­nen und phy­si­o­gno­mi­schen Mehr­deu­tig­kei­ten, die ja nur der sinn­fäl­lig­ste Aus­druck sei­nes sich­an­schmie­gen­den Wi­der­stands sind. Und wenn ich noch den Schritt hin zum Mi­me­ti­schen bei Klin­ge­mann selbst voll­zie­he und bei der ihm eigentümlichen Hingabe- und (geistigen) »Über­set­zungs«-Fä­hig­keit von »li­te­ra­ri­schem Vam­pi­ris­mus« spreche, so doch nicht, ohne erneut die künst­le­ri­sche Re­fle­xi­on, die Di­stanz des be­ob­ach­ten­den und aus­glei­chen­den Ex­pe­ri­men­ta­tors dabei her­vor­zu­he­ben.

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129  Dieter Sturm und Klaus Völker, Von denen Vampiren und Menschensaugern. Dichtungen und Dokumente (Mün­chen 1968), S. 554f.   130  Romano, a.a.O. (Fußnote 25), Bd. 1, S. 137


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