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ZERSPRUNGENE IDENTITÄT
KLINGEMANN - ›NACHTWACHEN VON BONAVENTURA‹
1)




Von der Ekstase eines lange unterdrückten Einzelgängers handeln die ›Nachtwachen‹ von »Bonaventura«. Die Frage nach dem Ver­fas­ser ist nicht unerheblich für eine pseudonyme Schrift; sind auch kleinliche Rück­sich­ten und erkünstelte Erwartungen oft im Spiel, ob­jek­tiv stellt sich mit solcher Publikation die For­de­rung, ih­ren so­zi­a­len Kontext mitzulesen. Das Pseudonym als Schutz- oder Wer­be­schicht zeigt Literatur im Wi­der­spruch zum of­fi­zi­el­len Le­ben. Als Symp­tom für einen Abbruch von Kom­mu­ni­ka­ti­on in der Verlautbarung ge­hört die pseu­do­ny­me wie die an­ony­me Ver­öf­fent­li­chung zur Aufgabe der Tie­fen­her­me­neu­tik. Ob ein Text be­wußt ver­stellt oder ir­re­füh­rend her­aus­ge­ge­ben wird, Verhaltensweisen oder Krankheiten un­be­wußt be­grün­det sind, po­li­ti­sche und kul­tu­rel­le Äu­ßerungen von nichtbewuß­ten Tendenzen mitformuliert werden, in jedem Fall be­greift die­se In­ter­pre­ta­ti­on von Lebenszeichen Geschichte wie in den Kate­gorien von Bewußtsein, Kom­mu­ni­ka­ti­on so in de­nen von Ge­walt, Aus­nut­zung und Verstummen. Die allgemeine Problemstellung der Tie­fen­her­me­neu­tik: Ver­sa­gen von Spra­che un­ter Druck, ist ver­schärft in den Sonderfällen des Gegenzeitigen, in de­nen der Nie­der­ge­hal­te­ne mit den An­sprüchen und Er­war­tun­gen sei­ner Zeit bewußt gebrochen und sich ihnen kon­struk­tiv ver­sagt hat. Ein Hoch­mut aus Ver­zweif­lung, indem die Zeit­dia­gno­se so ra­di­kal ausgefallen ist, daß kei­ne Aus­sicht auf Ver­ständ­nis und Ge­hör be­steht. Fontanes kryptisches Erzählen hat in der Sexual­sym­bo­lik ein Tarn- und Er­kennt­nis­mit­tel zu­gleich erarbeitet. Von »Bonaventura« liegt der Text selber un­ver­schlüs­selt vor, frei­lich in der Per­zep­tionsweise der Nachtwachen. In ihnen thematisiert der De­mas­kie­ren­de das Un­zeit­ge­mä­ße seiner Aufklä­rung; die aus­ge­spro­che­ne Einsicht, daß außer der Maske nichts bleibt, um­greift das »Ich« selbst; dies hebt den Er­zäh­ler über alle mo­ra­li­sie­ren­de Zeit­kritik, dies macht den Ent­schluß zur pseu­do­ny­men Ver­öf­fent­li­chung ei­gentlich erst zwingend. Und doch ist die­se Zeit­kri­tik, die um ihre Nichts­nut­zig­keit weiß, ver­öf­fent­licht worden; gleich Fontane drängt das Sichver­sagen über Re­sig­na­ti­on hin­aus. Solch Be­haup­ten­wol­len der Inte­grität zeichnet die Position des Unzeitgemäßen aus ge­gen­über den an­de­ren Ob­jek­ten der Tie­fen­her­me­neu­tik, bei denen der Er­satz- und Kompromißcharakter vor­herrscht; be­zeich­net wei­ter­hin den Un­ter­schied zu 

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1) Postskript 2011) Unter diesem Titel habe ich das nachfolgende Typoskript 1974 als Beilage zu meiner gedruckten Tü­bin­ger Fon­ta­ne-Dis­ser­ta­ti­on veröffentlicht und angemerkt:

   »Geändert am Rohmanuskript habe ich nur das zum Verständnis Nötigste ... : Ein paarmal je In­ter­punk­ti­on, ver­tipp­te Buchstaben, Fest­le­gung bei meh­reren Wortversionen bzw. bei ohne Ersatz Durch­ge­stri­che­nem des­sen Wie­der­auf­nah­me. Die Marginalien - Blei­stift - sind an die best­pas­sen­den Stelle ge­schlos­sen ... Die we­ni­gen nachträglichen Lesehilfen habe ich in Doppelklammer ge­setzt; die Zi­ta­te durch­nu­me­riert und im Nach­trag ge­nau­er belegt.«


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