BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. ›SCHACH VON WUTHENOW‹
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Der
Erzähler macht die Grenzen von Schachs gesellschaftspolitischer
Urteilskraft sofort deutlich, indem er seine Titelfigur
in den Eröffnungsszenen im Salon der Frau von Carayon auf den
oppositionellen Intellektuellen v.
Bülow stoßen läßt, einen ostentativen Nichtästheten, der
als Vertreter schmucklos nüchterner Effizienz
später den Spruch Friedrichs II. zitieren wird, als
diesem die dreimal geschlagenen Regimenter seines
Generals Lehwald vorgeführt wurden: "Propre Leute
... Da seh Er meine. Sehen aus wie die Grasdeibel, aber
beißen".53
Bülow,
der dasitze wie ein Totenrichter aus der griechischen
Mythologie, erfaßt tatsächlich das Überlebte an Schachs
politischen Gemeinplätzen und spöttelt gar wie
hellsichtig über die Anmaßung des preußischen Königs,
"auch in Aestheticis ... über Leben und
Tod" entscheiden zu wollen.54
Erklärt
er jedoch am Ende Schachs Suizid nur mit dem Begriff
der falschen Ehre, damit, daß "alles
Geschraubte zur Lüge führt und alle Lüge zum
Tod",55
so
verkürzt er die persönliche Tragik im Falle von
Schach. Zumal dieser, zermürbt durch die
verletzenden anonymen Karikaturen,
während
seines Rückzugs in die Wuthenower Herkunft den
Tod längst schon ausgestanden hat, in der symbolisch
verschlüsselten Zuflucht zum Mutterleib, diesem
vorbildlichsten aller Schutzverstecke.
Schachs
Rückzug aus der gehässig ihn verfolgenden Gegenwart hat auch
regressive Züge. Neben seinem ausgeprägten
Interesse an der Genealogie gehört dazu vor allem jene Zuneigung zum
Kriegermönchtum, die Victoire beim
Tempelhofer Spaziergang an ihm bemerkte und sie von
dem „nachgeborenen Templer" sprechen
ließ. In seiner forcierten Wertschätzung von
Virginität und Legitimität verurteilte
er vor Victoire, die er unlängst geschwängert hatte, Luthers
Ehefrau Katharina als "eine Nonne,
die schließlich keine war".56
Dergleichen "überspannte
Vorstellungen von Intaktheit und Ehe" führte
sein Regimentskamerad Alvensleben auf den
mit Eitelkeit gepaarten Ästhetizismus Schachs zurück und läßt
ihn behaupten, eine Verheiratung mit einer Witwe,
selbst mit der schönsten, sei für ihn ausgeschlossen.57
Die
wie embryonische Heimkehr ins mütterliche Element
vollzieht sich nun in Wuthenow in
mehreren Schritten. Nach seiner nächtlichen Ankunft
bei dem märchenhaften Seeschloß, dessen zum Wasser
hinführende "Sanssouci"-Terrasse
die Mutter noch hätte bauen lassen, wird er in merkwürdiger
Empathie durch den alten Krist begrüßt, der mit ihm
das erste Wasserhuhn geschossen und die erste Bootsfahrt
über den See gemacht hätte: "»Ick
wußt' et joa, as de Poggen58
hüt Oabend mit ehr Gequoak nich to Enn' koam' künn’n«".
Durch die vom Seewasser verquollene Prachttür
in den Gartensalon
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53
N II, 310 54
N II, 274 und 279 55
N II, 279, 384 56
N II, 330
57
N II, 287
58
Die
Poggen als Vorboten embryonischer Existenz und Metamorphose! In den
Poggenpuhls
(1896) wird Fontane
die Genealogie Pogge-Mensch weit grotesker
ausspielen
(vgl. S. 195-199 meiner in Fußnote Nr. 2 genannten Studie). Das
Motiv der Wiedergeburt aus dem Wasser streift
Fontane auch in Irrungen
Wirrungen (1888),
wo von dem Schotten Armstrong berichtet wird, der
mitunter 14 Tage im Loch Neß oder Loch Lochy im Boot bleibe und
sich nach einer "Mauserung" dann mit einer