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LESSING IN BRAUNSCHWEIG ODER »DER STERBENDE FREIGEIST«

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Beides, die tobende Rhetorik und das Teuflische dieses Ringens wird in Lessings »Anti-Goeze« vom er­sten Satz an als po­le­mi­scher Dauerreiz ausgebildet: »Poltern Sie doch nicht so in den Tag hinein!« »Da steht er, mein unbarmherziger An­klä­ger, und wie­hert Blut und Verdammung«. »Sie schwatzen, ver­leum­den und pol­tern«, schreibt Lessing und wird nicht mü­de, die­sem »zornigen Priester«, der so »don­nert«, das »Lär­men« und »das lau­te Ze­ter« vorzuhalten.201 Von Be­ginn an au­ßer­dem die Sti­li­sie­rung zum See­len­kampf: »Über­schrey­en können Sie mich alle acht Tage: Sie wissen, wo. Über­schrei­ben sollen Sie mich gewiß nicht.« »Er ist für meine Seligkeit so besorgt! Er zittert so mit­lei­dig vor mei­ner To­des­stun­de!... Ich ha­be die Fragmente dru­cken las­sen: und ich wür­de sie noch dru­cken las­sen, wenn mich auch al­ler Welt Goe­zen dar­ü­ber in den tief­sten Abgrund der Hölle verdammten.«202


Wie bei Kreuzgang immer stärker dann die Umkehrung der Rollen, die Beschuldigung dessen, der »in mir den Teufel« ge­se­hen hätte, als den eigentli­chen Dämonen: »Sein Votum also, das Votum des Teu­fels«. »Sie haben mich förm­li­cher Got­tes­lä­sterungen beschuldiget ... Hieronymus sagt, daß die Be­schul­di­gung der Ket­ze­rey ... Gott­losigkeit« sei.203 Ja, mir scheint fast, der theologische Hauptpunkt des »An­ti-Goe­ze«, der Ver­dacht von Les­sings Un­ge­nann­tem, die Jün­ger könn­ten Chri­sti Leichnam ge­stoh­len ha­ben, hat »Bo­na­ven­tu­ra« auf die ekla­tan­te Lö­sung dieses Streits ge­bracht, daß al­so der Prie­ster mit sei­nen mas­kier­ten Hel­fern den Leich­nam des Freigeistes stehlen will und bei die­sem Ma­nö­ver, das den Volks­glau­ben von der Heim­ho­lung durch den Teufel aufzufrischen sucht, selber als Teu­fels­haupt auf der Strec­ke bleibt. Zu­mal Kreuz­gang zuvor in ähnlich listiger Manier ein Wort Lessings gegen die Verfolger dieses Freigeistes ge­kehrt hat­te: »Mich faßte in dem Augenblicke der Teufel bei einem Haare«, umschrieb er seine Reaktion beim Anblick der drei ver­klei­de­ten Geistlichen und misch­te sich angriffslustig unter sie (2. Nachtwache). Wie er derart ver­wir­rend »Ge­mein­schaft» mit den teuf­li­schen Brü­dern suchte, war nichts gewissermaßen die ironische Applikation einer Sen­tenz aus Les­sings »Emi­lia Ga­lotti«, die Klingemann im zweiten Teil der »Ruinen im Schwar­zwal­de« als Motto zi­tier­te: »Laß Dich den Teu­fel bei ei­nem Haare ergreifen, und Du bist seyn auf ewig!«204

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201  Gotthold Ephraim Lessing, Anti-Goeze (Braunschweig 1778), S. 4 des 1., S. 11f. des 2., S. 11 des 7., S. 16 des 10., S. 15 des 3. An­ti-­Goe­ze    202  S. 3 des 1. bzw. S. 4ff. des 3. Anti-Goeze   203  S. 7 des 7., S. 10 des 4. bzw. S. 9 des 11. Anti-Goeze
204  Die Ruinen im Schwarzwalde, a.a.O.(Fußnote 52), Bd. 2, S. 237 (Szene 3 des 2. Akts)


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