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LESSING IN BRAUNSCHWEIG ODER »DER STERBENDE FREIGEIST«

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rettung der Emilia Galotti« von 1817, in dem er die Vorwürfe des Ausgeklügelten zu wi­der­le­gen sucht, solle »eine Hand voll Erde auf das Grab« von Lessing sein, »welches mir freilich auf dem Braun­schwei­ger Kirch­hofe, wo das Verdienst sehr schnell vermodern muß, bis jetzt Niemand hat nachweisen kön­nen!«192

   In der 12. Nachtwache macht der Fetischjäger mit Lessings Perücke auf dem Haupt »noch fol­gen­den Sar­kas­mus: Freund was hat man von dieser Unsterblichkeit, wenn nach dem Tode die Pe­rü­cke un­sterb­li­cher ist, als der Mann der sie trug?« Und bemerkte zuletzt, daß »man nach dem Ge­ni­us, wo er sich bli­cken läßt, mit Fäu­sten aus­schlägt - er­in­ne­re er sich an das Haupt das vor mir in die­ser Pe­rü­cke steck­te!«193

Mit welcher Wucht und Vernichtungswut die Angriffe auf Lessing vorgetra­gen worden sein müssen, geht aus ei­ner Äu­ße­rung des Kopisten Schmid gegenüber Leisewitz hervor, der »erzählte, die Leute sag­ten, die Ärzte hät­ten Le­ßing mit Fleiß ster­ben laßen, damit ein so böser Mensch von der Welt kä­me«. Lei­se­witz ver­merkt in sei­nem Ta­ge­buch ent­spre­chen­de Gerüchte in Hofkreisen.194 Überdies ver­brei­te­te man, daß Theo­lo­gen ihn »als Re­li­gi­ons­feind aus der Welt ge­bracht« hät­ten.195 Jemand aus dem Kon­si­sto­ri­um ver­bat sich die Re­de vom »se­li­gen« Les­sing. Klin­ge­mann sel­ber will ei­ne spä­te­re Sze­ne über­lie­fert wis­sen, als die Schild­wache vor dem Wol­fen­büt­te­ler Les­sing­denkmal - es stand von 1796 bis 1802 vor der Bib­li­o­thek - auf sei­ne Fra­gen hin auf diesen Kerl zu schimp­fen an­fing, der we­der an den Herr­gott noch an den Teu­fel ge­glaubt habe.196 Noch um 1900 weiß der Braun­schwei­ger Volks­kund­ler An­dree ei­nen Ab­zähl­reim von »frü­her« mitzuteilen, in dem der Teu­fel sich Les­sings Leib als Schmie­de­ma­te­ri­al (»Mes­sing«) ge­nom­men hät­te. Steckt alldies nicht in den al­ler­er­sten »Nacht­wa­chen«-Sze­nen, wo der Pfaf­fe in der Teufelmaske den Leich­nam des Frei­gei­stes ab­holen las­sen will? Die von Klin­ge­mann be­obachtete Gleichsetzung Lessings mit der Idee des Frei­gei­stes schlecht­hin for­dert uns auf, hier ent­spre­chen­de Kom­bi­nationen anzustellen:


Kreuzgangs erster Vergleich, daß der Freigeist sich in seiner letzten Stun­de stark wie Voltaire halte, könn­te auf so man­chen zutreffen, etwa auf Mauvillon aus Braunschweig (an den Jost Schillemeit hier denkt) oder auf Za­cha­riä. Auch auf Les­sing, der in dem Sinngedicht »Grabschrift auf Voltaire 1779« gegen die »frommen Herrn« ausfällig wurde und 1751 in sei­ner »Nachricht über den Tod de la Mettries« diejenigen zu enttäuschen an­kün­dig­te, die »sich einbil­den ... 

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192  Klingemann, Ehrenrettung der Emilia Galotti. In: Zeitung für die elegante Welt 17.-19.4.1817 (Nr. 74ff.) 

193  Nachtwachen, a.a.O., S. 142f.    

194  Leisewitz, Tagebücher, a.a.O. (Fußnote 187 auf S. 90), Bd. 2, S. 144 (26.2.1781) bzw. S. 146 (5.3.1781) 

195  Fritz Hartmann, Sechs Bücher Braunschweigischer Theatergschichte (Wolfenbüttel 1905), S. 241   

196  Klingemann, Kunst und Natur, a.a.O.(Fuß­no­te 23 auf S. 22), Bd. 2, S. 258f.; s. schon Zeitung für die elegante Welt 1809 (Nr. 135, Spal­te 1079)

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