KREUZGANGS LIEBLINGSORTE: (BURG-)DOMPLATZ UND (MARTINI-)FRIEDHOF
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Zuvor
aber schwelgte diese Nachtdichtung in peinlichen Bildern des Todes
(»Unser magrer Boden ist durch verwesende Freunde,
die darunter verscharrt liegen, feist gemacht ... Wir nähren uns,
gleich andern Würmern, von den Todten«),161
in Bildern, deren apologetische Christlichkeit unserem
Nachtwächter nur noch dumm und schamlos vorkommen
mußte:
»O
Tod! laß mich dich an meinen Busen drücken, du bestes Geschenk des
Himmels! du bester Freund
des
Menschen!« (7. »Nacht«), »gütiger Zuchtmeister« ( 3.
»Nacht«) und »des Lebens Krone: Wäre der
Tod
versagt, so würde der arme Mensch umsonst leben ... Wir fallen; wir
stehen auf; wir herrschen« (3.
»Nacht»).
Welch
Einfall, den einflußreichsten Propagandisten der christlichen Nacht
dieser letzten, metaphysisch ausgerichteten
Nachtwache voranzustellen, für die eigene Klage über
den Tod als den Vernichter von Individualität
und damit »Welt« sich auf das Terrain des religiösen Gegners
zu begeben, welch maliziöser Witz, bei
Eberts Grabe diesem in persona die Auferstehung
mißglücken zu lassen!
Die
Selbstsicherheit, mit der Ebert/Young gegen Ende der sechsten »Nacht«
ihren Beweis versprechen, einen »Beweis, der
mächtiger, als der Tod, ist, und des Grabes spottet« (»stronger
than Death, and smiling at theTomb«), nimmt Kreuzgang in seinem
Grabestraum als eine von den Toten belächelte Prahlerei:
»Der
Poet ... bemerkte es nicht, daß sich um ihn her alle Gräber
geöffnet hatten, und die Schläfer un-
tenboshaft lächelten, doch ohne sich zu bewegen. Jezt stand er
am Übergange und fing an die Posau-
nen
zu blasen und
viele Zurüstungen zum jüngsten Tage zu machten ... - und unten in
den Schlafkam-
mern
lagen sie noch
alle still und lächelten, und niemand wollte erwachen ... er ...
sezte eine starke Be-
gleitung von Donner und
Posaunenschall zu seiner Stimme - umsonst«.162
Von
der Posaune macht Young außer in der 2. »Nacht« auch in dem
poetischen »Gesang« »Der
jüngste Tag«
traditionellen Gebrauch:
»Nun
erwacht der Mensch, und hebt aus seinem stillen Bette, wo er
Jahrhunderte durchgeschlafen,
sein
Haupt empor ... Itzo rollt der Schall der Posaune von neuem durch den
weiten Bezirk der Schöp-
fung ...
Siehe! nun geben die Gräber ihre lange verwahrte Beylage ...
zurück.«163
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161
Dr.
Eduard Young's Klagen, oder Nachtgedanken <...>, a.a.O.,
S. 17
162
16.
Nachtwache, a.a.O., S. 186
163
Der
jüngste Tag. Ein Gedicht in drey Gesängen (von Eduard Young).
In: Übersetzungen
einiger poetischen und prosaischen Werke der besten
englischen Schriftsteller,
4 Bde., hg. v. J.A. Ebert (Braunschweig u. Hildesheim 1756), 2.
Bandes 1. Stück , S. 27f.
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