ENTFALTUNG DER VAMPIRTHEMATIK
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filmen
uns liebgewordene –
Knoblauch
gehörte die an der Stubendecke oder Tür
aufgehängte Zwiebel zu den einschlägigen
Abwehrmitteln gegen die Pest.125
Vampirglauben
und Pest waren nun historisch aufs engste liiert. Die
großen Pestepidemien des 16. Jahrhunderts,
während welchen man im norddeutschen Raum von Kau- und
Schmatzgeräuschen aus den Gräbern
berichtete,126
hatten
auch in Braunschweig gewütet und hier gegen
Ende des Jahrhunderts »die Hälfte der Menschen
weggefressen«.127
Gerade
zu der Zeit, als das Haus am Papenstieg erbaut wurde,
verbreiteten sie solche Panik, daß der
Braunschweiger Herzog, um sein Verhältnis
zu Eva von Trott zum Schein zu beenden, sich (um 1535)
eine List erdenken konnte, »die ihn –
ans
Licht der Öffentlichkeit gekommen –
dem
rohen Gespött seiner Zeit aussetzte und immer
wieder Romanschreiber und Historiker fasziniert
hat. Zum Schein erkrankte und starb Eva während
einer Reise an der Pest. Furcht vor der Pest
verhinderte, daß der Sarg nochmals geöffnet
wurde; man hätte die darin liegende Holzpuppe
entdeckt! Mit großem kirchlichem Aufwand wurde
die Puppe begraben.«128
Die
List wird Klingemann in seinem Trauerspiel
»Bianca
di Sepolcro«
wiederholen.
<...>
<Im
Buch folgt ein längerer Exkurs zur Vampirmotiv in der Sage und in
Klingemann Werk, der hier entbehrlich ist.>
*
So
grell all dies sich auch ausnehmen
mag,
Klingemann
hat Vampirismus und Pest immer wieder aus der Isolation des
Schauermotivs lösen können
und auf das erstickende geistige Klima einer Epoche, insbesondere
eines klerikalen Regimes übertragen. Auch der Typus
des Femeromans, der seine beiden ersten literarischen
Werke beherrscht und wegen seines biographischen
Gewichts ebenfalls später vorzustellen ist,
gehört als das unterirdische Treiben eines Blutgerichts
dazu. Und nicht allein Zeitepochen erscheinen
bei Klingemann unter diesem Zeichen von Korruption und
Wesenlosig-
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125 Bächtold-Stäubli, a.a.O., Bd. IX, Sp. 967 (zur Zwiebel) 126 Hock, a.a.O., S. 31f.
127 Philip Christian Ribbentrop, Beschreibung der Stadt Braunschweig, Bd. 1 (Braunschweig 1789), S. 183
128 Monika Zeidler, Chronik der Stadt Braunschweig (Braunschweig 1980), S. 74
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