ZUM PSEUDONYM »BONAVENTURA«
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gel und Karoline in größerer Gesellschaft zu Braunschweig vorgelesen, wobei die Anonymität nur zum Teil gewahrt blieb.«38
Warum aber übernahm er das Pseudonym »Bonaventura«? Betrachten wir die Situation des Autors Klingemann 1803. Für seinen Roman »Die Lazaroni« benutzte er das Kryptonym »Vom Verfasser des Romans: Albano, der Lautenspieler« (der »Albano« selber wurde »vom Verfasser der Maske« veröffentlicht, hübsch). Der historische Bonaventura war nun aber – Bischof von Albano! Im Pseudonym »Bonaventura« wäre somit, via »Albano«, immerhin ein Identitätsmerkmal des Autors enthalten, und das ist für einen Verschlüsselungsstilisten wie Klingemann wahrlich nicht zu unterschätzen. Entscheidend dafür nun, daß er unter anderen noch denkbaren Namensanklängen sich gerade auf »Bonaventura« festlegte, war zweifellos die aufsehenerregende »mitternächtliche« Verwendung des Pseudonyms im romantischen Almanach. Verstärkt worden zu sein scheint dies sachliche, den »Nachtwachen« angemessene Kriterium durch ein persönliches: Wie bei der 11. Nachtwache darzulegen, sind die »Nachtwachen« in Klingemanns Entwicklung als Umkehrform und Widerruf seiner »Memnon«-Gläubigkeit von 1800 aufzufassen, die besonders glühend in seinem zweibändigen Künstlerroman »Romano« (1800/1801) und hier am reinsten in der allegorischen Figur des Knaben Fortunato zum Ausdruck kam. Im Pseudonym »Bonaventura«, das mit »Fortunato« (»Glückskind«) bedeutungsverwandt ist, hätte Klingemann die beiden Extreme seiner literarischen Entwicklung selbstironisch zusammenhalten können (und sie noch einmal in Gestalt von Kreuzgang, der als Knabe Wesenszüge von Fortunato trägt, ins Werk selbst dann aufgenommen).
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38 Franz Schultz, Der Verfasser der Nachtwachen von Bonaventura. Untersuchungen zur deutschen Romantik (Berlin 1909), S. 28
Und zwar schreibt Caroline Anfang Januar 1801 an Schelling: »Höre, ich will Dirs nicht verbergen, auch der Pfarrer ist vorgelesen worden, und es entging niemand der großen Wirkung dieses inkorrekten Gedichts. Anonym blieb es, wie es sich versteht; nur Luise ahndete, es möchte von Dir seyn, und sagte es mir nachher. Schlegel, der es vorlas, wurde selbst wieder ganz davon ergriffen, und ich gerieth in ein Zittern, an dem die Vorstellung, daß dies Dein Werk sey, wie gewöhnlich keinen kleinen Theil hatte.« (Caroline, a.a.O., S. 25)
Carolines jüngste Schwester Luise, verheiratet mit dem Braunschweiger Mediziner Wiedemann, scheint eben nicht verschwiegen gewesen zu sein; so beklagt sich Caroline am 12.1.1802 in einem Brief an A.W. Schlegel, daß Luise (in Jena) mündliche Äußerungen an Viewegs Frau weitergetragen habe. (Caroline, a.a.O., S. 268; s. auch Brief vom 14.1.1802 auf S. 279). Es wäre aber nicht fair, sie darum auch für den Pfarrer, und schon gar nicht als ausschließliche Quelle der Indiskretion zu verdächtigen. Klingemann hätte über manch andere Wege darauf kommen können, – und sei es nur über den von Schultz selber erwähnten Umstand, daß hinter dem Gedicht Das Loos der Erde, das laut Inhaltsverzeichnis des Almanachs auch von »Bonaventura« stammt, ein »LL.« anstelle des Pseudonyms steht (F. Schultz, a.a.O., S. 28). Die Braunschweiger Insider-Kenntnisse hätten ihm freilich alles erleichtert.
Vgl. ferner die auf S. 59 abgebildete Karikatur von Schelling-»Bonaventura« in Garlieb Merkels ›Ansichten der Literatur und Kunst unsres Zeitalters‹ (1803).
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