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KREUZGANGS BRUDERGESTALT ALESSANDRO. ATHEISMUS DER SELBSTVERGOTTUNG

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Der Titel »Ruinen im Schwarzwalde« zielt zunächst auf das vordergründige Leserinteresse und meint hier das Schau­er­re­qui­sit einer alten verlassenen Villa, in der die geheimen politischen Aktionen zu­sam­men­zu­lau­fen scheinen. Es ist das Ver­steck des ge­flüch­teten Fürsten, aus dem er sich von Zeit zu Zeit als gei­ster­haf­te Er­schei­nung wie aus dem Erd­bo­den er­hebt; sel­ber nennt er sich einen »To­ten«, ver­ste­he es Ge­sichts­zü­ge zu deu­ten, sei in die geheiligten My­ste­ri­en ein­ge­weiht und ver­mö­ge die Grä­ber zu »zer­spren­gen« (wo­mit er auch die eigene politische Wie­der­er­ste­hung an­spricht).224 Trägt sei­ne ma­gi­sche »Ru­i­nen«-Ex­i­stenz we­sent­liche Züge von Kreuzgangs Vater, dem Al­chy­mi­sten und Teu­fels­ban­ner, so be­rei­tet die zitierte »Ruinen«-Erfahrung Alessandros den me­ta­phy­sisch in­tran­si­gen­ten, den Tod nicht hin­wegdeutenden und zu sei­ner Erkundung an­sta­cheln­den Ni­hi­lis­mus Kreuz­gangs vor. »Wagst Du es aus dem Gra­be ei­ne neue Schöpfung zu er­wek­ken? - Du ver­stumst? - wo­für hast Du denn ge­mor­det?«225 Dies muß al­ler­dings Giu­liano schon dem »Cha­mä­le­on« Ales­san­dro vor­hal­ten, sei­nem küh­len Dop­pel­spiel mit dem mensch­li­chen Leben, in dem er sich zu­letzt sel­ber matt­ge­setzt fin­det und wie Kreuz­gang in seiner Läh­mung auch dem Ster­ben an­de­rer zu­zu­se­hen hat.


Diese tiefe Verwirrung und Lähmung schreibt Klingemann immer bewuß­ter dem destruktiven Po­ten­ti­al der Trans­zen­den­tal­phi­lo­so­phie zu (schon aus Alessandros Monologen blickt am deut­lich­sten Fich­tes Po­si­ti­on her­vor). Wo der Er­zäh­ler der »Ruinen« selber sich einmal mit der Prä­mis­se mel­det: »In uns al­lein liegt un­ser Him­mel und unsere Höl­le - au­ßer uns ist es öde und leer ... die Got­heit ist un­ser, ge­ben wir uns auf, so läug­nen wir Gott«,226 da muß Ales­san­dros gei­sti­ge Tap­fer­keit (»Ich wol­te den Him­mel er­stür­men«)227 wie später Kreuzgangs Eroberungswut (»Pan­the­on«) ins Lee­re sto­ßen; da muß­te gei­stes­geschichtlich eine neue Variante des Atheismus Epoche machen, in­dem auch die­ses Selbst als erklärte neue Gottheit der Kritik nicht standhielt. Oder doch seinerseits nur erneut durch ei­nen (psy­cho­lo­gi­schen) Glau­bensakt zu konstituieren gewesen wäre, wie Alessandro dies im Gebet an sich selbst an­deu­tet und wi­der­ru­fen muß: Das Vertrauen in das menschliche Selbst war durch transzendentale Begründungen und selbst Gewissens-

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224  a.a.O., S. 229f.       225  a.a.O., S. 41       226  a.a.O., S. 168       227  a.a.O., S. 188


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