MERLIN ODER DER ALTE GOETHE
DIE LETZTEN JAHRE (1823-32)
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Bildquelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kaspar_Maria_von_Sternberg
Kunst
und Altertum,
mit den Jahrgängen von Cottas Morgenblatt,
das mit dem »Kontinent« vertrauter machen soll, sodann
ein erstaunliches Gutachten Goethes 1828 zur
Unterstützung von Carlyles Bewerbung um eine schottische
Professur der Moralphilosophie,
ferner seine Vermittlung der Ehrenmitgliedschaft Carlyles
in der Berliner literarischen
›Mittwochsgesellschaft‹ – all
das erfüllt auf sehr persönliche und praktische Weise das
große Thema in diesen Briefen Goethes:
›Weltliteratur‹.
Carlyle geht in seinen Briefen nicht direkt darauf ein, nimmt
aber ebenfalls praktisch durch seine Rezensionen,
Übersetzungen und Anthologien zur deutschen Literatur,
besonders zu Schiller und Goethe, daran teil und
regt seinerseits eine Gruppe von englischen
Literaten zu dem symbolkräftigen
Petschafts-Geschenk für Goethes Geburtstag 1831
an. Goethes Freude, einen rührigen jungen
Propagandisten in Großbritannien
gefunden zu haben, erklärt allein noch nicht die
Herzlichkeit seiner Briefe. Erst die
Einbeziehung von Jane Carlyle und Ottilie,
ihre von Versen begleiteten Übersendungen von
Schattenrissen, Schmuck und Haarlocken, auch
Janes Beiträge für Ottilies Zeitschrift Chaos
und
die von Goethe erbetenen Skizzen ihrer
entlegenen Wohnung schaffen diese
Intimität, die es ihm schließlich zu bemerken
erlaubt, mit Ottilie »eine Art von
Craigenputtoch mitten in Weimar« zu bilden
(2.6.1831). Eine Spielart seiner ›Merlin‹-Existenz,
in der Goethe, getragen von Ottilies
Anglophilie, auch noch die Rolle seines Sohnes
sublimiert übernommen hat.
Sein
letzter Freund wurde der Paläobotaniker Sternberg,
den er mit Blumengrußgedichten nach Weimar zu locken liebte.
Neben der rein fachlichen Dimension mit dem Austausch von
Fossilien, Auskünften zur Geologie und
Witterungskunde mußte ihn eines noch besonders
anziehen: Sternberg war Präsident der 1822
gegründeten ›Gesellschaft
des Vaterländischen Museums in
Böhmen‹, die
sich vor allem den Naturwissenschaften des Landes widmete.
Wie
Goethe analog zur Idee der ›Weltliteratur‹ das
Heraustreten
der deutschen
Wissenschaftler aus der Isolation
forderte und
im besonderen die Jahreskongresse der auch dem
Auslande sich öffnenden ›Versammlung
der deutschen Naturforscher und Ärzte‹ begrüßte,
so bemühte sich Sternberg schon sehr früh um ein
Zusammengehen der böhmischen und
österreichischen Wissenschaft, betrieb
ihre Teilnahme an jenen Kongressen und konnte gar
zuletzt Wien (1832)
und
Prag (1837)
als
Tagungsorte gewinnen. Daß
sich
Sternbergs ›Museum‹ in der Prager
Monatschrift
auch der Kultur
und Geschichte Böhmens annahm, hatte gewiß
noch
tiefere biographische Bedeutung
für Goethe, lebt dieser Briefwechsel doch erst
zu einem Zeitpunkt auf, als Goethe die
über Jahrzehnte
wiederholten
Besuche der böhmischen Bäder einstellt,
als er sich aus dem »Paradies« seiner letzten
Liebe von 1823
vertrieben
sieht.
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