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MERLIN ODER DER ALTE GOETHE
DIE LETZTEN JAHRE 
(1823-32)

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sche Sammlung anvertraut hatte (als einzigen Eigenbeitrag enthält sie die mit dem 11jährigen 1801 ge­sam­mel­ten Pyr­mon­ter Versteinerungen). So bot sich denn die ›Casa di Goethe‹ zur Verschwi­ste­rung der bei­den ver­sun­ke­nen Le­benssphären an, als stilles priva­tes Gedenken und zugleich öf­fent­lich als Pa­ra­dig­ma ab­ge­bro­che­ner, un­ab­ge­gol­te­ner und deshalb bei ihrem Wiederauftauchen un­schätz­ba­rer Ex­istenz.

   In diesen Todesbildern wird das Individuelle nicht mehr zur Traditionsbildung aufgezehrt, sondern hat sich ge­gen die nivellierende Zeit in eigener Gestalt durchgehalten und greift gar wie das Alexandermosaik die bis da­hin als folge­richtig vorgestellte Überlieferung an. Freilich sind es wie­derum nur Bilder oder al­len­falls ver­spren­gte Bei­spie­le, die außerdem nichts von dem Arbeitsethos dessen erkennen lassen, der wie Goe­the vom »Fol­ge­rei­chen« je­der kon­se­quen­ten Tätigkeit überzeugt ist, mag es oft auch nur ver­zö­gert, ver­deckt oder ver­fälscht zum Vor­schein kom­men. Für den es deshalb nur im Durchdringen der Ge­gen­wart, im Er­fas­sen und Steigern ihrer ei­ge­nen Mög­lich­kei­ten eine Überwindung der Zeitgebundenheit gibt. Was denn prak­tisch etwa bedeutet, daß er ge­gen das »Los­wer­den­wol­len« der Gegenwart auf der Rechenschaft und Klärung durch das Tagebuch besteht, bis zu­letzt die ›Ober­auf­sicht‹ über die der Wissenschaft und Kunst gewidmeten Weimarer und Jenaer Anstalten aus­übt, kri­tisch die Strö­mun­gen und Talente der Ge­gen­warts­li­te­ra­tur wie auch die zeit­politischen Konflikte ver­folgt (die Ju­li­re­vo­lu­ti­on 1830 betrachtet er so als die »größ­te Denk­übung« zum Ab­schluß sei­nes Le­bens und er­ör­tert Ur­sa­chen, Ver­lauf und diplomatische Ak­ti­vi­tä­ten mit dem wei­ma­rischen Staatsminister v. Gersdorff). Bei al­ler Skep­sis al­so kein Rückzug aus der Ge­gen­wart, viel­mehr Prü­fen des Neuen und Festhalten an dem für richtig Er­kann­ten - wo­zu al­ler­dings auch das Ab­schüt­teln fal­scher, ›ve­lo­zi­fe­ri­scher‹ oder bloß egoistischer Ge­gen­warts­in­ter­es­sen ge­hört.


Wenn Goethe den Rückzug aus dem Lebensegoismus im hohen Alter forciert, dann erklärtermaßen zur »Ko­ho­bie­rung« oder Läuterung seiner Eigentümlichkeiten und zur »Prägnanz« seines Schaffens. Daß die Ma­xi­me der Selbst­über­win­dung nicht auf Welt­flucht und Selbstgenügsamkeit hinauswill, geht auch daraus her­vor, daß er in den letz­ten Jah­ren vehement wie nie die Spielarten falscher Individuierung attackiert, den Ei­gen­sinn, der un­be­lehrt im­mer­fort von vor­ne anfangen möchte, den dilettantischen Stolz, sich alles selbst zu ver­dan­ken so­wie die welt­ver­leug­nen­den Ten­den­zen von Introspektion und Selbsterkenntnis. Den »starr-zä­hen Ego­ism­us« der Ju­gend be­klagt er ebenso wie die Isoliertheit der deutschen Gelehrten und die »Selbst­ig­keits­lust« über­haupt der Deut­schen, die im Unterschied zu den in literarischer Geselligkeit wir­ken­den Fran­zo­sen - deren zeit­genössischen Dich­tern und Kritikern er höchste Beachtung schenkt - ihre In­di­vi­du­a­li­tät still und eif­rig von In­nen heraus zu bil­den such­ten und spä­ter, nach ihrem Durchbruch, er­neut iso­liert da­stün­den, da sie nichts ih­nen Ent­sprechendes 


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