MERLIN ODER DER ALTE GOETHE
DIE LETZTEN JAHRE (1823-32)
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Bildquelle: http://auktion-huell.de/de/auktionen/archiv/193/Buecher-1-74/alle/57/
Es
ist recht spannend zu verfolgen, wie Cotta angesichts der enormen
finanziellen Risiken die Verhandlungen verschleppt,
Goethe aber entschlossen nach neuen Mitarbeitern sowohl für die
zum Druck vorzubereitenden Bände als
auch für seinen Nachlaß Ausschau hält. Wie dabei Adrian durch
Eckermann verdrängt wird und Schubarth durch den
Altphilologen Göttling, der Zug um Zug seine editorischen
Befugnisse erweitern kann; wie Goethe Cotta
dadurch verhandlungsbereiter macht, daß er ihn durch
Nachdruckvorwürfe ins Unrecht zu setzen
und mit einem vor Nachdruckern schützenden, beim Deutschen
Bundestag mühevoll errungenen
›Privileg‹ für die geplante Ausgabe zu
ködern sucht. Bis endlich die ›Vollständige
Ausgabe letzter Hand‹ von der Ostermesse
1827 bis zum Frühjahr 1831 in acht Lieferungen zu je fünf
Bänden erscheint (um von 1832-42 durch 20 weitere
Bände ›Goethe's nachgelassene Werke‹
ergänzt zu werden) und er am 27.1.1831 ins Tagebuch
eintragen kann: »Die 40 Bände der Sedez-Ausgabe
in einer Reihe vor mir aufgestellt zu sehen,
machte mir ein dankbar anerkennendes
Vergnügen. Ich hatte das zu erleben nicht
gehofft.«
Inzwischen
hat Goethe, beflügelt durch diese Erfolge und die rasche Zuarbeit
seiner literarischen Helfer, es längst nicht mehr bei einer
Neuzusammenstellung belassen. Er bringt auch frisch Erarbeitetes in
die letzte Ausgabe ein, 1827 den ›Helena‹-Akt
von Faust II,
1828 den Anfang von Faust
II sowie die
Novelle,
1829 die 2. Fassung der Wanderjahre,
den Zweiten
Römischen Aufenthalt und
1830 die Tag- und
Jahreshefte. Anderes
wird schon für die Nachlaßbände vorbereitet; ganze
Werkabteilungen wie die meist schon früher gedruckten
naturwissenschaftlichen Schriften
und auch die Masse der ästhetischen Schriften sind dafür
vorgesehen. Schon seit Mitte der 20er Jahre
liegt Unveröffentlichtes wie die Reise
in die Schweiz 1797 in
dem von Kräuter weiterhin betreuten literarischen
Archiv im ›Junozimmer‹ parat, hinzu kommen Werke, die wie
der Gedichtzyklus der Chinesisch-deutschen
Jahres- und Tageszeiten oder
der vierte Teil von Dichtung
und Wahrheit erst
nach Erscheinen der ›Ausgabe
letzter Hand‹ bzw.
ihrer Lyrikbände entstanden sind. Und seit dem Februar
1825, immer wieder unterbrochen durch jene
Arbeiten, schreibt Goethe am zweiten Teil von Faust.
Vorerst konzentriert
er sich auf den ›Helena‹-Akt,
läßt nichts davon nach
außen dringen, bis er im Herbst 1826 eine Kampagne
in Briefen an Freunde und in ›Kunst
und Altertum‹ für
das Stück führt, um es unter dem klingenden
programmatischen Titel
Helena.
Klassisch-romantische Phantasmagorie.
Zwischenspiel zu Faust
noch
nachträglich in die erste Lieferung der neuen
Ausgabe einzuschalten. Die Resonanz
ist erfreulich, Äußerungen wie die von Henriette
Beaulieu-Marconnay und C. Iken bestärken
ihn in seinem Vertrauen zum deutschen Publikum,
und auch die großen Rezensionen von
Schewyrjow im ›Moskowitischen
Boten‹ 1827,
von Carlyle in der Londoner ›Foreign Review‹
und J.-J.
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