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BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. ELLERNKLIPP. UNTERM BIRNBAUM

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steck-und-Aufspür-Spiel wie Beutetiere vor Augen bringt. Freilich kommt Hildes Naturell dem ent­ge­gen, ih­re Indolenz und träumerische Abwesenheit bei plötzlichem kurzen Aufmerken, ihre ver­wil­der­te Er­zie­hung und diese wie animalische Hingabe an Naturvorgänge, wenn sie so stun­den­lang vor dem Feu­er da­hockt oder den von Staude zu Staude, von Rittersporn zu Fingerhut flie­gen­den Hum­meln zusieht und dar­auf­hin vom Grab der Mutter im Zickzack zu der gräflichen Grab­stät­te hin­auf­geht. Merk­wür­dig auch ihre Em­pa­thie ge­gen­über Baltzers Jagdhund, den sie einst aus Furcht vor dem An­blick des er­schossenen Wil­de­rers in ei­nem ge­heimen Einverständnis ("der Hund, der wohl wuß­te, was es war")12 umarmt hatte und der Jah­re spä­ter Bal­tzer auf Hildes Spur bringt, wenn sie wie "traum­ge­tra­gen" schlafend am Wal­des­rand da­liegt. Auch Mar­tin, für den Bal­tzer einmal das Vo­ka­bu­lar für ei­nen Jagd­hund be­nutzt ("Der Jun­ge hat kei­nen Ap­pell")13, sucht kurz vor seinem Tod auf ko­mi­sche Wei­se die­ses Hüh­nerhundes Herr zu wer­den: Für das heim­li­che, doch erlauschte Tref­fen auf El­lern­klipp tritt er erst­mals sel­ber mit Jagd­uten­si­li­en auf und flü­stert Hilde, um sie an ihr Ver­spre­chen zu er­in­nern, noch zu: "'Ein Mann, ein Wort!' Und da­nach rief er den Hund, der aber nicht kam ..."14 Im Hö­he­punkt der Aus­ein­an­der­set­zung, auf El­lern­klipp, be­zich­tigt Bal­tzer den Sohn, "auf ver­bo­te­ner Fähr­te" zu sein; und wird hin­ter­her von der pa­ni­schen Vor­stel­lung er­faßt, der Hin­un­ter­ge­stürz­te könn­te noch nicht tot sein, und da­nach wie­der von einem "Schau­der na­tür­li­chen Mit­ge­fühls … nicht mit dem Sohn, aber mit der leidenden Kreatur."15

    Unwiderstehlich wird in der Folge die Anziehungskraft, die der drunten im Elsbruch Liegende auf Bal­tzer aus­übt. Sein Versuch, den Toten zu verscharren und ihm so "Ruhe" zu verschaffen, mißlingt klä­glich. Vor­an­ge­trie­ben wird der Zusammenbruch des Heidereiters über etliche Zeichen der Im­po­tenz, so wenn dem wie wis­sen­den "wel­ken" Kind aus seiner Ehe mit Hilde die Lebensfähigkeit ab­ge­spro­chen wird, er sel­ber noch am ei­ge­nen To­des­tag beim Frei­schießen und Würfeln versagt, wie­der­holt beim Trin­ken absetzen muß und mit ge­bro­che­nem Wa­gen­rad liegenbleibt. Wie er sich dann bei der schräg­lie­gen­den Tanne den Tod gibt, hat der Er­zäh­ler in den Ein­zel­hei­ten ausgespart und für die Lo­ckung durch den Spuk­ruf ("Va­der!") stär­ker auf die Phan­ta­sie des Lesers gesetzt.


Die Korrespondenz mit dem versteckten Opfer, die in ihrer unheimlichen Intimi­tät die Selbst­auf­lö­sung des Tä­ters bewirkt, muß Fontane so fasziniert haben, daß er das Motiv wenige Jahre dar­auf mit Un­term Birn­baum (1885) neu aufnimmt. Diesmal konzentriert sich alles auf die un­mit­tel­ba­re Um­ge­bung des Tat­orts, auf Haus und Garten des hochverschuldeten Gastwirtes und Händ­lers Abel Hrad­scheck. Magisch auf­ge­la­den wird der Ort glei­cher­maßen durch dessen abergläu­bi­sche Sicht wie durch das Ar­rangement des Erzäh-

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12 N II, 199    13 N II, 238    14 N II, 233    15 N II, 240
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Am Tatort der stofflichen Vorlage für ›Ellernklipp‹, an der ›Bäumlersklippe‹ (Postkarte um 1930)
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