BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. ›GRETE MINDE‹
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Bildquelle: http://gaededesign.de/html/grete_minde.html
Für Valtins
Beisetzung nutzt Fontane kühn und konsequent die kleine
dramaturgische Neuerung, daß zu jener Zeit Puppenspieler
zeitweilig in eigener Person ihr Repertoire aufführten. Denn was
schon mit dem Zauber des Hänflingsnestes und sodann, gegen
Ende der Aufführung des "Jüngsten Gerichts" mit
Gretes damaliger Errettung aus den
Flammen, halluzinatorisch bereitgestellt war, dieser Austausch
von Idol und eigenem Leben vollendet sich
jetzt für Valtin, wenn sein Sarg von vier Puppenspielern
zu Grabe getragen wird. Aufgebahrt liegt er
auf einer Leiter und wird so auf den ersten Schritt seiner
Flucht mit Grete gebannt, ja dann doch weiter zurückgeführt
auf die Gartenszene, als Grete vor dem ihr geraubten
Brautkuß schon auf eine solche Leiter geflüchtet
war. Beigesetzt wird Valtin nun unter einem
Fliederbusch neben einer Hanfstaude, auf der sich
sogleich wieder ein Hänfling wiegt.8
Kräftig
dann noch einmal die Stilisierung der Gebärden Gretes, wie zum
Aufflug und zur Apotheose ihrer Kindheit, wenn sie beim
Wiedersehen der Heimatstadt vor Freude mit der Hand
hinübergrüßt, später in ihrem Rechtsfanatismus
und schon aufloderndem Wahnsinn "mit ihrer Hand zu der
Mondscheibe hinauf" grüßt und höher
hinauf schaut "in den goldenen Reigen" der glitzernden
Sterne, beide Hände um Erbarmen ausstreckend.9
Noch einmal das
verwunschene Ausgangsbild des Nestes, wie sie, in einer
Scheune versteckt, schlafend im Werg sitzt. Und wie sie, um
den Scheunenbrand und seine Ausbreitung abzuwarten,
auf der "sonderbaren Leiter" eines
zerbrochenen Treppenstücks zum Tangermünder
Festungsturm hinübersteigt, droben
Kinderlieder vor sich hin summend. Zuletzt steigt sie über
eine Wendeltreppe und ein "Geflecht von Leitern"
in den Glockenstuhl der Stadtkirche, die letzte
Leiter nach sich ziehend – ihr Transzendieren
hin zu Valtin.
*
" ... Und
immer nur durch die glückselige Vorstellung aufrechterhalten: 'Und
wenn sie dich suchen bis an den jüngsten Tag, sie finden dich
nicht.' " Dieses Glücksgefühl im Versteck, das noch dem alten
Fontane
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8
In den Sinn kommen mag einem hierbei Gretes grausiges
"Lieblingsmärchen" (N III, 8) vom Machandelboom,
in dem das von der Stiefmutter geschlachtete Brüderchen dem Vater
vorgesetzt wird. Aus den Knochen, die das Schwesterchen unter
dem Baum vergraben hat, erhebt sich das ermordete Kind in
Vogelgestalt, führt im Gesang hartnäckig Klage
und kann schließlich in ursprünglicher Gestalt wiedererstehen.
Fontanes Ribbeck-Gedicht
scheint diesem Märchen das Überdauern im Baum und die
anthropophagischen Grundierung zu verdanken.
9
N III, 78 und 83f.